Der Steirer Gerald Rockenschaub wird ab Februar bei der Weltgesundheitsorganisation WHO Direktor für gesundheitliche Notlagen in Europa. Die „Krone“ hat mit ihm über die Heimat, unruhige Nächte am Gaza-Streifen und Omikron gesprochen.
„Krone“: Herr Rockenschaub, Sie wurden in Bruck an der Mur geboren, sind dort zur Schule gegangen und waren 15 Jahre lang Chirurg am LKH. Was verbinden Sie mit der Stadt?
Gerald Rockenschaub: Es ist immer noch meine Heimat. Ich kehre gerne dorthin zurück, auch wenn meine Eltern schon verstorben sind. Wir haben noch immer eine kleine Wohnung. Mein unmittelbares Umfeld ist aber nach Graz gewandert.
Warum haben Sie sich entschieden, Arzt zu werden?
Ich wollte eigentlich Journalist werden. Seinerzeit hat man ja mit der Medizin nicht sofort einen Job gefunden. Aber das Interesse, anderen zu helfen, war dann größer.
Was hat Sie dazu gebracht, die „normale“ Ärzte-Laufbahn hinter sich zu lassen und zur WHO zu gehen?
Ich hatte schon immer internationale Ambitionen. Ich war ein paar Monate in Äthiopien und habe in Boston einen Master in Public Health gemacht. 2004 hat es dann mit der WHO geklappt. Dort war ich dann im europäischen Regionalbüro in Kopenhagen – wohin ich jetzt wieder zurückkehre.
Am Gaza-Streifen konnten wir viele Amputationen verhindert.
Gerald Rockenschaub
Danach waren Sie als Gesundheitsdiplomat in Palästina. Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung?
2014, während der letzten Eskalation, war ich am Gaza-Streifen. Die komplexe humanitäre Situation hat mich interessiert. Es gab massive gesundheitliche Probleme, als die israelische Armee versucht hat, Demonstranten zurückzudrängen. Wir haben vor Ort eine chirurgische Einheit aufgebaut. Da konnten wir eine Reihe von Amputationen verhindern. In Summe hatten wir mehr als 8000 Schussverletzungen in Armen und Beinen.
Waren Sie selbst auch in Gefahr?
Es hat immer wieder Eskalationen gegeben, Raketenangriffe und Bombardierungen. Das ist kein angenehmes Gefühl, wenn man durch Raketen-Detonationen aufwacht. Wir hatten aber das Privileg, ausreisen zu können, anders als die Bewohner dort.
Jetzt werden Sie Direktor für gesundheitliche Notlagen in der Europäischen Region. Wie kann man sich Ihren neuen Job vorstellen?
Ich bin zuständig für Krisenvorsorge, Corona-Aktivitäten und Notfälle, in die die WHO involviert ist. Vor Kurzem war ich in Weißrussland, wo wir bei einem Flüchtlingslager zusätzliche Toiletten und Duscheinrichtungen zur Verfügung gestellt haben. Auch in der Ukraine, der Türkei und an der syrischen Grenze sind wir involviert.
Welche Schwerpunkte warten in der Pandemiebekämpfung?
Omikron und die Impfstoffversorgung, vor allem dort, wo es nicht genug Ressourcen gibt – etwa in den Westbalkan-Ländern, in Armenien und Zentralasien, wo es teilweise noch Impfraten unter zehn Prozent gibt. Dort können neue Varianten entstehen.
Wie schön Österreich ist, lernt man zu schätzen, wenn man lange im Ausland ist.
Gerald Rockenschaub
In Österreich gibt es immer wieder Nachrichten über Ärztemangel, wo allem am Land. Wie ernst, denken Sie, ist das Problem?
Wir jammern auf hohem Niveau. Natürlich gibt es in Österreich auch Probleme, aber international verglichen sind wir sehr gut aufgestellt.
Haben Sie vor, irgendwann in die Steiermark zurückzukehren?
Nach meiner Pensionierung kehre ich auf alle Fälle wieder nach Österreich zurück, weil es ein lebenswertes Land ist. Das lernt man zu schätzen, wenn man lange im Ausland ist.
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