„Ich persönlich möchte auch, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen“, sagt die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die an der Universität Wien zu Medizinethik forscht. Aber: „In meinen Augen war die Impfpflicht, wenn man eine hohe Impfquote erreichen möchte, nicht die beste Wahl“. Ethisch argumentierbar sei eine Impfpflicht aber jedenfalls, so Prainsack im Gespräch mit Damita Pressl, „allerdings nur dann, wenn sie effektiv durchgesetzt werden kann“.
Man wisse inzwischen, dass der Booster auch bei Omikron vor schweren Covid-19-Verläufen schütze. Damit sei die Impfung ein wichtiges Instrument zur Pandemiebekämpfung. „Bis dahin gehe ich absolut mit“. Um das zu erreichen, gebe es aber unterschiedliche politische Instrumente. Prainsack hätte etwa eine Beratungspflicht vorgeschlagen: „Das hätte den Vorteil, dass man jene, die noch Sorgen haben oder verunsichert sind, aber keine Impfgegner sind, mitnehmen könnte. Diese Menschen schreckt man mit einer Impfpflicht eher ab.“ Den harten Kern werde man ohnehin nicht erreichen, meint Prainsack: „Die Menschen, die sich wirklich nicht impfen lassen möchten - das ist eine sehr geringe Zahl - werden ein Schlupfloch finden.“
„Impfpflicht mit Augenzwinkern problematisch“
Umso wichtiger sei es, die Impfpflicht konsequent umzusetzen: „Es ist ganz wichtig, dass Ausnahmen nicht von den Hausärzten bestätigt werden“, sagt Prainsack, dies soll nur beim Amtsarzt möglich sein. Denn: „Eine Impfpflicht kann nur ethisch akzeptabel sein, wenn sie effektiv ist“, wenn sie also die Überlastung des Gesundheitssystems verhindert, so, dass niemand weniger gut versorgt wird, keine Operationen verschoben oder sonstige Abstriche gemacht werden müssen. Und effektiv ist nur, was ordentlich durchgesetzt wird: „Eine Impfpflicht mit Augenzwinkern, wo man einfach Schlupflöcher finden kann, wäre problematisch.“
Auch Prämien, wie von der SPÖ vorgeschlagen, seien ein mögliches Konzept, so Prainsack. Man wisse aber aus der Forschung: „Wenn man Menschen für etwas bezahlt, führt das mittelfristig dazu, dass die innere Bereitschaft verschwindet“ - und es schwieriger werde, Menschen ohne Anreiz zu motivieren.
Aber warum eigentlich der große Aufschrei - schließlich herrschte in Österreich bis 1981 eine Impfpflicht gegen die Pocken, und das ganz ohne samstägliche Massendemonstrationen am Ring? „Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass die Pocken wegen der Impfpflicht ausgerottet worden wären“, so Prainsack. „Die Impfdisziplin war dann besonders hoch, als die Menschen noch traurige Erfahrung damit hatten, dass ihre eigenen Geschwister oder Kinder an den Pocken verstorben sind. Da wollten sich alle impfen lassen, weil man persönlich erfahren hatte, was diese Krankheit anrichtet.“ Sobald sich der Effekt der Impfung einstellt, komme es zum sogenannten Präventionsparadox, erklärt Prainsack: Es gibt weniger Erkrankungen, damit weniger schlimme Erfahrungen und so sinkt auch die Impfbereitschaft. Und: „In der Geschichte der Impfpflicht gab es immer Widerstand von einem kleinen Teil. Dieser kleine Teil der Bevölkerung ist jetzt besonders laut.“
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