Für die heimische Start-up-Szene geht das mit Abstand erfolgreichste Jahr zu Ende. Risikokapitalgeber haben heuer in Jungfirmen die Rekordsumme von über 1,2 Milliarden Euro investiert. 2019 und 2020 waren es jeweils nur etwas über 200 Millionen Euro. Rund die Hälfte der Investments entfiel 2021 mit 367 Millionen Euro auf die Krypto-Plattform Bitpanda und mit 275 Millionen Euro auf die Online-Nachhilfefirma GoStudent. Beide Start-ups erreichten hierzulande erstmals eine Milliardenbewertung.
Einen Rekord gab es auch bei den Exits. Für die großen Übernahmen waren ausländische Unternehmen verantwortlich. Mit dreistelligen Millionen-Übernahmedeals ließen die vom Wiener Bernhard Niesner mitgegründete und in London ansässige Sprachen-App Busuu (385 Millionen Euro) und das Salzburger Ladesoftware-Start-up has.to.be (250 Millionen Euro) aufhorchen.
Das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Start-up Kaleido AI Canva wechselte ebenfalls für einen dreistelligen Millionenbetrag den Besitzer und sprach von einem „der größten Exits der österreichischen Start-up-Geschichte“. Zum Vergleich: Die Lauf-App Runtastic und die Kleinanzeigen-Plattform Shpock wurden beide im Jahr 2015 für jeweils über 200 Millionen Euro verkauft.
Außerdem wurde heuer die heimische Mathematikplattform Geogebra laut Medienberichten für 100 Millionen Dollar (88 Millionen Euro) übernommen. Für einen vorerst ungenannten Betrag bekam das E-Mobilitäts-Start-up Kreisel Electric einen neuen Mehrheitsbesitzer, komplett übernommen wurde auch der Firmendatenanbieter 360kompany.
Corona hat Gründern „Pitches“ erleichtert
Der Finanzierungs- und Exit-Boom in der Start-up-Szene wurde heuer von internationalen Risikokapitalgebern und Unternehmen angetrieben. Die Coronapandemie hat den Zugang für österreichische Start-ups zu Investoren aus den USA oder Asien erleichtert. Aufgrund von Corona müsse man nicht mehr für einen Investorentermin ins Silicon Valley fahren, sondern könne schnell eine Online-Videokonferenz machen, sagte die Geschäftsführerin der Interessensvertretung AustrianStartups, Hannah Wundsam. Es sei für heimische Start-ups nun leichter, internationales Kapital zu bekommen. Bei den heimischen Start-ups, die verkauft wurden, erwartet Wundsam durch die internationalen Eigentümer nun einen kräftigen Schub bei der Produktentwicklung.
Die Interessenvertreterin rechnet damit, dass heimische Start-up-Gründer, die von Millionen-Exits profitieren, wieder in neue Unternehmen investieren. Hier entstehe „ein schöner Kreislauf“. In Österreich gebe es außerdem noch „sehr viel Potenzial“ für Firmeninvestments von wohlhabenden Privatpersonen und Stiftungen. Von der Politik wünscht sich der Branchenverband mehr Engagement für die Gründerszene. Im Herbst 2019 hatte AustrianStartups insgesamt 37 Maßnahmen der neuen Regierung empfohlen. Man sei nur bei „ein paar Punkten weitergekommen“, so die Interessenvertreterin. Als Vorbild sieht Wundsam die Digitalstrategie des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Frankreich will mit diversen Maßnahmen der „attraktivste Ort für Start-ups in Europa“ werden.
Weniger Finanzierungsrunden, mehr Volumen
Laut dem aktuellen Start-up-Barometer des Unternehmensberaters EY sank die Anzahl der Finanzierungsrunden heuer um 20 Prozent von 153 auf 122. Das Volumen pro Runde stieg aber von 4,5 Millionen Euro auf zwölf Millionen Euro. Zahlreiche österreichische Jungfirmen vermeldeten 2021 große Finanzierungsrunden. Das Marketingdaten-Start-up Adverity lukrierte 103 Millionen Euro und die Entwicklerplattform PSPDFkit rund 100 Millionen Euro von Risikokapitalgebern. Das Selfstorage-Start-up Storebox holte sich 52 Millionen Euro von Investoren, der Internet-Marktplatz für generalüberholte Produkte, Refurbed, sammelte 45,5 Millionen Euro ein und die Produktivitäts-Softwarefirma Meister bekam 44 Millionen Euro.
Es ist eine Bestätigung dafür, dass es hierzulande einige Start-ups mit überzeugenden Stories, stark skalierbaren Geschäftsmodellen und nachhaltigen Lösungen bei gesellschaftlichen Megatrends gibt.
Florian Haas, EY
Das Finanzierungsvolumen und die Exits würden zeigen, „dass die zunehmende Professionalisierung in den letzten Jahren Früchte“ trage, so der Start-up-Experte von EY, Florian Haas, am Donnerstag in einer Aussendung. „Es ist außerdem eine Bestätigung dafür, dass es hierzulande einige Start-ups mit überzeugenden Stories, stark skalierbaren Geschäftsmodellen und nachhaltigen Lösungen bei gesellschaftlichen Megatrends gibt.“ Haas empfiehlt der Politik das positive Momentum für Weichenstellungen zu nutzen. Es brauche „grundlegende Maßnahmen, um Unternehmertum attraktiver zu machen“ und man müsse die Rahmenbedingungen für die Start-up-Szene verbessern.
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