Liedermacher-Kultstar

Italiens legendärer Cantautore Paolo Conte wird 85

Musik
07.01.2022 06:00

Wenn Paolo Conte mit zusammengekniffenen Augen und leicht gerümpfter Knollennase am Piano sitzt, sieht er zwar nicht unbedingt aus wie der Grandseigneur der „Cantautori“ Italiens. Mit seiner Musik und der rauchigen Stimme aber prägt der Liedermacher aus dem Piemont seit einem halben Jahrhundert ein ganzes Land. Gestern, am 6. Jänner, wurde der Musiker 85 Jahre alt.

(Bild: kmm)

„Er ist der Fürst der italienischen Musik, ein Adliger, er ist der Größte, er überragt alle“, schwärmte Schauspieler und Regisseur Roberto Benigni zuletzt in einer Kino-Dokumentation über seinen langjährigen Freund und Künstlerkollegen. Conte hat Songs in unterschiedlichen Genres geschrieben, die ihren festen Platz im nationalen Kanon haben. Er singt über Zitroneneis und die Liebe zu seiner Frau („Un Gelato al Limon“), über den Jazz („Sotto le Stelle del Jazz“), über einen legendären Radrennfahrer („Bartali“) und über einen ganzen Kontinent („Sudamerica“).

Inoffizielle Hymne Italiens
Neben Hits wie „Sparring Partner“ oder „Via con me“ stammt auch eine der inoffiziellen Hymnen Italiens von Conte - das weltbekannte „Azzurro“. Den Song komponierte er zunächst für Adriano Celentano und nahm ihn später auch in sein eigenes Programm auf. In den dunkelsten Corona-Stunden Anfang 2020 sangen viele Italiener im Lockdown „Azzurro“ auf ihren Balkonen und sprachen sich damit Mut zu.

Paolo Contes Musik erreicht die Menschen in den unterschiedlichsten Momenten und Gefühlslagen. Als der Künstler in den 1960er- und 70er-Jahren anfing, waren seine Adressaten vor allem Männer, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg „eine bestimmte Art Melancholie“ in sich entwickelten. Von einer „kollektiven Traurigkeit in meiner Generation“ erzählte er 2010 der „Süddeutschen Zeitung“. „Mir scheint manchmal, dass ich mein ganzes Leben lang für diese sprachlosen und sehnsüchtigen Männer der Nachkriegszeit gesungen habe.“

Vom Anwalt zum Musiker
Er selbst wurde in der Wein-Stadt Asti in der norditalienischen Region Piemont in eine Juristenfamilie geboren. Dort lernte er zwar schon früh von seinen Eltern den Jazz kennen, denn beide waren begeisterte Hobby-Pianisten. Vom Beruf des Musikers hielten sie aber nichts - Paolo sollte ebenso wie sein Bruder, Vater, Großvater und Onkel Anwalt oder Notar werden. Tatsächlich studierte er dann auch Rechtswissenschaften und stieg in die Kanzlei seines Vaters ein.

Die Musik war zunächst nur eine Freizeitbeschäftigung. Seine ersten Songs schrieb Conte während einer Jus-Vorlesung, wie er sich später erinnerte. Für den schon damals bekannten Sänger und Schauspieler Celentano verfasste er dann den Hit „Azzurro“. Von seiner eigenen Stimme war Conte nicht begeistert, weswegen es weitere Jahre dauerte, bis er sich selbst als Interpret auf die Bühne wagte. 1979 schaffte er dann den Durchbruch mit dem Album „Un Gelato Al Limon“. Conte ist ein musikalischer Alleskönner, Konventionen interessieren ihn nicht. Er spielt schweren, anspruchsvollen, melancholischen Jazz ebenso wie beschwingte Tanzlieder, in Piano-Stücke mischt er das freche Tröten des Kazoos. Der Liedermacher wird häufig als eine Mischung aus Duke Ellington - eines von Contes großen Vorbildern -, Tom Waits und französischen Chansonniers beschrieben.

Kunst als Lebensmittelpunkt
Auch wenn die italienische Musikwelt zu ihm aufsieht, ist Conte keine Diva geworden - im Gegenteil. Er gibt sich stets bescheiden, achtet auf seine Privatsphäre in der piemontesischen Provinz, widmet sich neben der Musik auch der Malerei, hat für moderne Technik wie Smartphones oder soziale Medien nichts übrig. Die Kunst und die Musik sind Paolo Contes Lebensmittelpunkt. Und seine Fans können sich auch wieder auf Live-Auftritte des Maestros freuen: Zwischen März und Juni sind Konzerte des „Fürsten“ in Italien und der Schweiz geplant.

Porträt von Wien Krone
Wien Krone
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