Horx über Impf-Flaute:

„Einen Teil der Gesellschaft haben wir verloren“

Forum & Debatte
07.01.2022 06:00

Zukunftsforscher und „Krone“-Kolumnist Tristan Horx (28) über die Impf-Flaute bei jungen Menschen und die „wohl einsamste Generation aller Zeiten“.

Vorige Woche hat die Statistik Austria im Auftrag des Bildungs- und Gesundheitsministeriums die erste breite Studie zur Höhe der Impfquote in den verschiedenen Altersklassen innerhalb Österreichs Bevölkerung veröffentlicht. Mit einem unerwarteten Ergebnis: Die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen sticht als jene mit der derzeit niedrigsten Impfquote hervor.

„Krone“: 29 Prozent in der Gruppe der 25- bis 34-jährigen Menschen sind derzeit weder geimpft noch genesen. Was sagen Sie zu dieser Zahl?
Tristan Horx: Als Generationsforscher erstaunt einen nicht vieles, aber diese hohe Zahl überrascht mich wirklich. Vermutlich auch, weil ich selbst Teil dieser Altersgruppe bin. Daher ist es auch eine Projektion von sich selbst. Man würde es sich wünschen, dass die eigene Generation nicht so ist. Vor allem, weil man ja immer von sich selbst auf andere schließt. Obwohl das in unserer individualisierten Gesellschaft so gut wie gar nicht mehr möglich ist. Doch gerade in unserer Altersgruppe gibt es sehr fragmentierte Milieus, die speziell im Netz sehr schnell eine eigene Gruppe finden und in einer endlosen Schleife verlaufen. Und ich glaube, das muss da passiert sein.

Tristan Horx (28) und „Krone“-Redakteur Christoph Engelmaier (30), beide Teil der Millenial-Generation. (Bild: Klemens Groh)
Tristan Horx (28) und „Krone“-Redakteur Christoph Engelmaier (30), beide Teil der Millenial-Generation.

Warum ist die Impfquote gerade in dem Alter am niedrigsten?
Die Freiheit und der Individualismus unserer Zeit gibt einem eben auch die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen. Dass das paradoxerweise jedoch nicht funktioniert, ist jedoch allgemein bekannt. Der Freiheitsbegriff ist derzeit sowieso sehr geladen. Eine andere Erklärung ist aber vielleicht auch, dass sich der Großteil dieser Gruppe gesund genug fühlt, um von Corona nicht betroffen zu sein. Man darf jedoch auch nicht vergessen, dass gerade unsere Generation anfällig für Fehlinformationen im Netz ist. Genau auf diesen speziellen Kommunikationskanälen sind viele Schwurbler unterwegs, auf die verlorene Seelen dann leider hereinfallen. Es ist allerdings schwer, plausible Gründe dafür zu finden. Wir sind eine gebildete, wissenschaftsinteressierte Generation. Aber eben auch die erste Altersgruppe, die von Anfang an mit Fehlinformationen im Netz aufwuchs.

Gerade bei jungen Menschen haben die zwei Jahre Pandemie und Lockdowns Spuren und psychische Schäden hinterlassen. Ihre Meinung dazu?
Als man zuerst die vulnerablen Gruppen, also die älteren Menschen geimpft hat, habe ich von Anfang an gesagt: Man muss auch auf die jungen Leute aufpassen! Als junger Mensch hat man es heutzutage sowieso schon schwerer. Man hat den höchsten Ausbildungsstandard, und gleichzeitig wird einem der Berufseinstieg durch die Pandemie noch einmal erschwert. Zudem hat die Tendenz, soziale Beziehungen digital auszulagern, zu einer massiven Vereinsamung geführt. Wir waren schon vor der Pandemie die einsamste Generation aller Zeiten. Das wird sich jetzt noch einmal ganz klar verstärken.

Man dachte ja, dass uns die Corona-Krise zusammenbringt, aber im Gegenteil, es hat uns noch weiter auseinandergetrieben. Was sagen Sie dazu?
Die Wahrnehmung des Gegenteils ist eingetreten. 70 Prozent Impfquote sind immer noch die deutliche Mehrheit und man kann davon ausgehen, dass der Großteil der geimpften Menschen das aus Gründen gemacht hat, um sich und andere zu schützen. Das Problem ist nur, dass die Leute, die damit behutsam umgehen, nicht jede Woche in großen Menschenansammlungen auf die Straße gehen.

Eine wesentlich leisere Kundgebung als die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen war das Lichtermeer auf der Wiener Ringstraße. (Bild: APA/HANS PUNZ/APA-POOL)
Eine wesentlich leisere Kundgebung als die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen war das Lichtermeer auf der Wiener Ringstraße.
(Bild: Martin Jöchl)

Hat Corona etwas im Denken von jungen Menschen verändert?
Es sind 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung, die wir verloren haben. Aber die hatten wir davor auch schon verloren. Egal was für ein gesellschaftlicher Konsens herrscht, sie wären dagegen, weil sie sich einfach nicht in der Gesellschaft verorten können. Eine Zeit lang waren das etwa die Globalisierungsgegner, Ultranationalisten oder aber auch die Klimaleugner. Im Kern ist es aber immer dieselbe Fraktion. Das Schwierige ist dann natürlich in so einer Lage, für diese Leute solidarisch zu sein. Ich weigere mich aber zu glauben, dass beinahe zwei Millionen Österreicher zynische, gemeine Leute sind, die anderen etwas Böses wollen. Sie sind ja auch einem Trick zum Opfer gefallen. Am Ende sind an dieser Situation aber auch die sozialen Medien schuld. Hier nimmt man die Spaltung jeden Tag wahr.

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