Fast 80.000 Kinder und Jugendliche werden jedes Jahr an der Kinderklinik Innsbruck ambulant und stationär betreut. Die Geschichte des Hauses beginnt Ende 1896 mit der Besetzung des ersten Lehrstuhls für Kinderheilkunde an der Universität. In 125 Jahren wurden in Innsbruck einige Meilensteine gesetzt. Noch kaum erforscht ist die NS-Zeit.
Man kann es sich heute kaum noch vorstellen. Vor 150 Jahren gab es in den heimischen Krankenhäusern kaum Kinderabteilungen – geschweige denn eigene Kliniken oder medizinische Forschung für die Jüngsten. „Kinder wurden wie kleine Erwachsene behandelt“, erinnert Medizinerin Daniela Karall an den Geist der damaligen Zeit. Anlass ist das 125-Jahr-Jubiläum der Kinderklinik Innsbruck, heute eine der wichtigsten Versorgungszentren in Österreich und darüber hinaus.
Heute 103 Betten, einst 26 in zwei Zimmern
Klinik-Direktor Thomas Müller leitet das in drei Einheiten gegliederte Department für Kinder- und Jugendheilkunde, wie es an der Medizin-Uni heißt. „Wir versorgen heute im Jahr 70.000 ambulante Patienten – davon 20.000 in der Akutversorgung. 5700 Kinder und Jugendlich werden stationär betreut“, nennt Müller wichtige Eckdaten. 103 Betten und mehr als 500 Mitarbeiter gehören zum Haus. Zum Vergleich: Die erste eigene Kinderstation in Innsbruck verfügte über 26 Betten in nur zwei Krankenzimmern.
Seltene Krankheiten, Frühchen und 3D-Drucker
Die Verknüpfung zwischen Forschung und Patientenversorgung sieht Müller als Garant dafür, dass die Innsbrucker Kinderklinik auch in Zukunft zu den führenden Einrichtungen des Landes zählen wird. Wissenschaftliche Erfolge wurden bisher unter anderem im Bereich der seltenen Krankheiten - derer es gar nicht so wenige gibt - erzielt. Auch in der Versorgung von Frühgeborenen genießt Innsbruck einen sehr guten Ruf.
Die Gentechnologie wird hier noch viel möglich machen.
Klinik-Direktor Thomas Müller
2018 wurde hier das erste 3D-Biodrucklabor Österreichs gegründet. Ziel ist es, lebendes Gewebe aus menschlichen Zellen herzustellen, um so die Wirksamkeit von Medikamenten untersuchen zu können und Tierversuche zu reduzieren. Als einen künftigen Schwerpunkt nennt Müller die Verbesserung der Therapie bei angeborenen Erkrankungen. Müller: „Die Gentechnologie wird hier noch viel möglich machen.“
Viel Corona, weniger andere Infektionen
Die Gegenwart ist auch an der Kinderklinik durch die Pandemie geprägt. Die Ärzte sehen immer mehr Folgeerkrankungen aufgrund einer Corona-Infektion. Der Klinik-Direktor rät zur Impfung auch bei Kindern. Deutlich zurückgegangen seien durch die Hygienemaßnahmen hingegen andere Infektionserkrankungen, berichtet Müller: „Wenn man der Pandemie was Positives abgewinnen will, dann das.“
Die Zeit der Weltkriege ist noch nicht aufgearbeitet
Noch wenig erforscht ist die Rolle der Kinderklinik Innsbruck in der Zeit der Weltkriege. Zahlreiche hochrangige Wissenschaftler in Österreich waren zumindest Sympathisanten der NS-Ideologie - oft willfährige Helfer. In der Medizin wurden viele Gräueltaten begangen, darunter grausame Versuche an Kindern. Der Kinderarzt und Historiker Christian Lechner über den aktuellen Forschungsstand: „Es gibt derzeit keine Hinweise auf medizinische Versuche an Kindern und Jugendlichen an der Innsbrucker Kinderklinik während der Zeit des Nationalsozialismus. Der damalige Ordinarius Richard Priesel kam zwar aus der Wiener Schule, die von einem überzeugten Nationalsozialisten geleitet wurde, ihm haben die Nazis aber ein politisches Desinteresse bescheinigt. Eine genaue Aufarbeitung dieser Zeit gilt es noch zu leisten.“
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