Keine Ehe, keine Kinder - seit 900 Jahren gilt das Zölibat in der katholischen Kirche. Doch auch Gottesdiener sind bei Gefühlen nur Menschen. So auch Noch-Pfarrer Andreas Monschein, der kein Doppelleben führen möchte und Gott gegen eine irdische Liebe eintauscht. „Ich habe eine Frau kennengelernt, mit der eine gemeinsame Zukunft möglich scheint und mit der ich diesen neuen Weg gemeinsam beschreiten will“, sprach der 40-Jährige nach der Sonntagsmesse Tacheles und löste dadurch eine Zölibatsdebatte aus.
„Ich möchte kein langes Doppelleben führen.“ Es ist nur ein Satz, mit dem alles gesagt ist. Andreas Monschein, 40 Jahre alt, seit 2015 Pfarrer im steirischen Kindberg, wollte - als er vor zwölf Jahren sein Weihversprechen abgelegt hatte - nur eines: Gott dienen. Jeglichen irdischen Verlockungen entsagen. Doch nun warf er das Handtuch, sprach von seiner Sehnsucht nach der Wahrheit, der Angst vor einem Versteckspiel - und: „Mein persönlicher Glaube ist aus verschiedenen Gründen brüchig geworden.“
Mein persönlicher Glaube ist aus verschiedenen Gründen brüchig geworden.
Andreas Monschein
Parallelen zu Hochwürden Franz Obermayr
Damit entfachte er auch eine neue Zölibatsdebatte. Denn auch er ist nur ein Mensch - einer, der jetzt offiziell seine Liebe lebt. Hochwürden Franz Obermayr hat das eigentlich zeit seines Priesterlebens getan. Einen Hehl machte der bald 90-jährige Niederösterreicher nie daraus. Mit stolzen 77 Jahren sagte der Katholik ganz offiziell in einem Interview: „Mit dem Zölibat habe ich mich nie befasst, das war nie ein Thema.“
Seine große Liebe ist seine Lebensgefährtin Poldi. Und jeder in der 700-Seelen-Ortschaft Konradsheim hat das immer so akzeptiert, egal, was die „katholische Chefetage“ davon gehalten hat. Obermayr und Monschein - auch wenn sie Jahrzehnte trennen - verbindet ein Grundgedanke: Dem Gesamtsystem Kirche fehlt Bewegung und Flexibilität.
Interview: Kann denn Liebe Sünde sein?
Der Rücktritt von Monschein schlägt hohe Wellen und befeuert die Debatte um das Zölibat. Die „Krone“ bat den Noch-Pfarrer zum Interview.
„Krone“: Herr Pfarrer, wie erleben Sie die Fülle an Reaktionen auf Ihren Rückzug?
Andreas Monschein: In der Pfarrgemeinde war es sehr, sehr schön. Als ich den Rücktritt am Sonntag nach der Messe verkündet habe, sind die Leute aufgestanden und haben lange applaudiert. Eigentlich ist es ja kein gutes Zeichen, wenn die Leute klatschen, weil der Pfarrer weggeht. (lacht) Nein, im Ernst, die Wertschätzung mir gegenüber ist sehr groß.
Als ich den Rücktritt am Sonntag nach der Messe verkündet habe, sind die Leute aufgestanden und haben lange applaudiert. Eigentlich ist es ja kein gutes Zeichen, wenn die Leute klatschen, weil der Pfarrer weggeht.
Andreas Monschein
Sie haben von „vielen Gründen“ gesprochen, die Sie zu Ihrem Rücktritt bewogen haben, welche sind das konkret?
Der Knackpunkt war schon das Kennenlernen einer Frau. Es geht aber auch sehr stark um die Wertschätzung und Stellung des Priesters, nicht nur innerhalb der Diözese, sondern bei den Menschen überhaupt. Wir werden immer weniger, gleichzeitig werden die Gebiete immer größer.
Welche Lösungen gibt es für dieses Problem?
Mir fehlen leider selbst die Antworten, das war auch mit ein Grund für meinen Rückzug. Langfristig muss es um eine Entlastung des Priesters gehen. Ich hatte voriges Jahr zum Beispiel 91 Taufen - trotz Lockdowns. Man müsste grundsätzlich mehr nachdenken, wie man Priester stärken kann.
Ihr Rücktritt hat die Debatte um das Zölibat wieder entfacht. Wie stehen Sie dazu?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist eine Entscheidung der Kirche, über die man reden kann und muss. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass sich alle Probleme lösen, wenn das Zölibat aufgehoben wird. Priester nur heiraten zu lassen, ist zu wenig.
Was stört Sie an der Zölibat-Debatte?
Darüber zu reden ist wichtig, es tut aber auch weh zu hören, wenn die Leute jetzt über die „böse“ Kirche schimpfen. Die Kirche ist und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens und ich gehe ohne Groll.
Wie geht es für Sie persönlich jetzt weiter?
Ich brauche jetzt erstmal Abstand und Zeit für mich, nach diesem Tsunami an Reaktionen. Dann werde ich mich neu orientieren und schauen, in welche Richtung es beruflich weitergeht. Aber da mache ich mir keine Sorgen.
Vorreiter Maximilian Tödtling: Liebe ist nichts Verbotenes
Sie waren steirische Vorreiter und beendeten die Ostermontag-Messe des Jahres 2015 mit einem Paukenschlag: Nach 18 Jahren als katholischer Priester bekannte ein tief bewegter Maximilian Tödtling, Dechant von Donawitz, vor seinen „Schäfchen“: „Ja, ich liebe eine Frau. Wir möchten uns nicht mehr länger verstecken müssen!“
Der 45-jährige Geistliche hatte sich in Nora Musenbichler verliebt, damals erfolgreiche Koordinatorin der Vinzi-Werke. Jahrelang mussten sie ihre Beziehung geheim halten - so lange, bis sie „an einem Punkt ankamen, an dem es nicht mehr weiterging“. Er sei gescheitert am Zölibat, „an dieser Lebensform, die für andere passend“ sei, aber nicht für ihn, begründete Tödtling damals den spektakulären Schritt.
Ja, ich liebe eine Frau. Wir möchten uns nicht mehr länger verstecken müssen!
Maximilian Tödtling im Jahr 2015
Liebe sei etwas Schönes und nichts Verbotenes, waren sich die beiden einig - und traten nach seinem Rücktritt vor den Traualtar. In ihrem Beschluss bestärkt von unzähligen Gläubigen, die sie beglückwünschten. Sieben Jahre nach dem Coming-Out „geht es uns sehr gut“, sagt Nora Tödtling-Musenbichler, mittlerweile eine der beiden Vize-Direktorinnen der steirischen Caritas. „Wir hatten einen guten Rückhalt von der Diözese.“ Mehr möchte sie nicht mehr sagen. Alles Gute!
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