Auf die Justiz kommt mit der Impfpflicht ein „unglaublicher Aufwand“ zu, den man ohne entsprechende Aufstockungen nicht bewältigen können werde, konstatiert Richterpräsidentin Sabine Matejka. Dies betrifft nicht nur die Verwaltungs-, sondern auch die Höchstgerichte. VfGH und VwGH erwarten jeweils rund 13.000 Fälle mehr. Sie verlangen in der Begutachtung zum Impfpflicht-Gesetz zusätzliche Budgetmittel zur Bewältigung dieses enormen Arbeitsanfalls.
Der Impfpflicht-Entwurf geht für 2022 bis 2024 von insgesamt 133.000 zusätzlichen Gerichtsverfahren aus. Die Regierung beziffert die Mehrkosten für heuer mit rund 112,5 Millionen Euro (83,3 davon für Personal), in den Folgejahren mit 33,2 und 3,6 Millionen. Mehrere Bundesländer und Verwaltungsgerichte haben in der Begutachtung aber deponiert, dass sie mit einem wesentlich höheren Arbeitsanfall und somit höheren Kosten rechnen.
Bekommt die Gerichtsbarkeit nicht die nötigen Ressourcen, wird das Impfpflichtgesetz zahnlos bleiben - und das wäre sehr kontraproduktiv zur Absicht der Regierung.
Richterpräsidentin Sabine Matejka
Aber schon bei rund 130.000 Verfahren mehr „muss sich der Gesetzgeber dringend überlegen, wie er sicherstellen kann, dass die Gerichte alle Fälle in vertretbarer Zeit erledigen können“, warnte Matejka vor drohenden längeren Verfahrensdauern. Bekommt die Gerichtsbarkeit nicht die nötigen Ressourcen, werde zudem „das Impfpflichtgesetz zahnlos bleiben - und das wäre sehr kontraproduktiv zur Absicht der Regierung“.
Belastung für Verfahren in anderen Rechtsbereichen
„Rechtsstaatlich bedenklich“ wäre es auch, wenn wegen der neuen Belastung Verfahren in anderen Rechtsbereichen länger dauern. Da Rechtsmittel gegen Geldstrafen mit Priorität zu behandeln sind (Strafbescheide treten außer Kraft, wenn nicht rechtzeitig entschieden wird), könnte das bedeuten, dass Menschen z.B. länger auf Baugenehmigungen warten müssen - für die ebenfalls die Landesverwaltungsgerichte zuständig sind.
Diese werden die größte Last zu tragen haben. Aber mit Einführung der Impfpflicht sind auch viele Arbeitsrechtsverfahren (wegen des Spannungsverhältnisses zur 3G-Regelung für den Arbeitsplatz) zu erwarten sowie Klagen wegen vermuteter Impfschäden beim Bundesverwaltungsgericht.
Höchstgerichte fordern mehr finanzielle Mittel
Unzumutbare Verzögerungen in der Erledigungsdauer gäbe es auch bei den Höchstgerichten - sollte der nötige Mehraufwand nicht finanziell gedeckt werden. Die Präsidenten Christoph Grabenwarter (VfGH) und Rudolf Thienel (VwGH) weisen in ihren Stellungnahmen darauf hin, dass für die Impfpflicht-Verfahren budgetär nicht vorgesorgt ist, also „zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen“.
Verfassungskonformität ständig prüfen
Ständig überprüft werden muss aus Sicht der Richtervereinigung aber auch die Frage, ob das Impfpflichtgesetz verfassungskonform ist. Wie man an Omikron sehe, könne sich in der Pandemie rasch etwas ändern. Deshalb sollten im Gesetz eine Überprüfung auf Verhältnismäßigkeit und Zweckmäßigkeit vorgeschrieben werden, wenn gewisse Veränderung (z.B. neue Virus-Variante, neues Medikament, neuer Impfstoff) eintritt, verlangte Matejka im Gespräch mit der APA.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.