„Elite muss beweisen“

Schallenberg drängt auf Reformen im Libanon

Politik
12.01.2022 15:59

Im Rahmen seines Besuchs im Libanon drängte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die Regierung zu Reformen. Die Elite des Landes müsse nun beweisen, dass sie den Libanon aus der tiefen Krise führen könne, so Schallenberg. Sein libanesischer Amtskollege Abdullah Bou Habib zeigte sich zweckoptimistisch, dass bis Ende Februar eine Einigung mit dem IWF erreicht werden könne, Nachsatz: "so Gott will".

„Es schmerzt zu sehen, in welcher politischen, sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale sich dieses Land befindet. Es schmerzt, dass viele Personen offensichtlich das Vertrauen in die Institutionen verloren haben und die Koffer packen und das Land verlassen“, sagte Schallenberg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Österreich stehe an der Seite des Libanons, die Verantwortung liege aber bei der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes. „Nur sie hat es in der Hand, sich am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen und das Klientel-Denken zu beenden“, so der Außenminister.

Alexander Schallenberg im Hafen von Beirut, der nach einer gewaltigen Explosion im Jahr 2020 nur noch Schutt und Asche ist. (Bild: APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER)
Alexander Schallenberg im Hafen von Beirut, der nach einer gewaltigen Explosion im Jahr 2020 nur noch Schutt und Asche ist.

Konkret brauche es eine Einigung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die Voraussetzung für die Auszahlung der internationalen Finanzhilfen ist, eine Regelung des Banken- und Finanzsektors und eine unabhängige Untersuchung der Explosionskatastrophe am Hafen von Beirut im August 2020, listete Schallenberg die internationalen Forderungen auf.

Regierung zeigt sich optimistisch
Der libanesische Außenminister antwortete ausweichend auf eine Journalistenfrage, warum die Regierung die nötigen Reformen nicht umsetze. „Wir arbeiten daran“, so Bou Habib knapp. Es gebe Fortschritt bei der Energieversorgung des Landes, um die Versorgung mit Treibstoff und Elektrizität zu verbessern. Im Februar hoffe man, mindestens mit den Verhandlungen mit dem IWF zu beginnen. Österreich dankte er für die humanitäre Unterstützung und das Engagement im Rahmen der UNIFIL-Friedensmission im Südlibanon. Er pries die historischen guten Beziehungen, die man unbedingt weiterentwickeln wolle.

Außenminister Alexander Schallenberg mit dem libanesischen Premierminister Nadschib Miqati. (Bild: APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER)
Außenminister Alexander Schallenberg mit dem libanesischen Premierminister Nadschib Miqati.

Anerkennung für Syrien-Hilfe
Schallenberg zollte dem Mittelmeerland Anerkennung für die Aufnahme von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge. Österreich helfe hier mit humanitärer Hilfe, der Frage nach einer Aufnahme von Flüchtlingen nach Österreich erteilte er aber erneut eine Absage. „Langfristiges Ziel ist es, dass die Menschen in ihre Heimat zurückkehren, das ist auch das, was sie wollen.“ Er spreche als Vertreter eines Landes, dass im Jahr 2015 „sehr stark Opfer der sogenannten Flüchtlingskrise war“. Zwar seien die Zahlen nicht vergleichbar, aber Österreich habe mehr als 120.000 Menschen aufnehmen müssen und wolle diese integrieren, was Jahre dauern werde.

Aufräumarbeiten im Hafen nicht abgeschlossen
Nach dem Treffen mit Bou Habib wurde Schallenberg auch von Präsident Michel Aoun, Regierungschef Najib Mikati und Parlamentspräsident Nabih Berri empfangen. Vor den politischen Gesprächen besuchte Schallenberg am Mittwochfrüh den Hafen von Beirut, wo eineinhalb Jahre nach der Explosionskatastrophe mit mehr als 190 Toten die Aufräumarbeiten noch kaum fortgeschritten sind. Berge von Schutt und Autowracks liegen neben den völlig zerstörten Häuserruinen. Auch das Erdgeschoß und die ersten Stockwerke des Gebäudes, in dem das Außenministerium untergebracht ist, sind noch völlig kaputt.

Der zerstörte Hafen gilt mittlerweile als Symbol für die tiefe politische und wirtschaftliche Krise, in der sich das Land seit mehr als zwei Jahren befindet. 80 Prozent der Bevölkerung leben mittlerweile unter der Armutsgrenze. Das Land ist politisch gelähmt. Zwar gibt es seit September wieder eine Regierung, das Kabinett unter Ministerpräsident Mikati ist aber seit Oktober nicht mehr zusammengetreten.

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