Können Sie sich noch an die richtig kalten Winter in Wien erinnern? Die Stadt war noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich häufiger von einer glitzernden Schneedecke bedeckt. Wenn der Klimawandel weiterhin nahezu ungebremst fortschreitet, wird die weiße Pracht in Wien künftig zur Ausnahme. „Die Hälfte der Winter wird im Worst-Case-Szenario im Zeitraum 2071 bis 2100 gar keine Schneebedeckung von mindestens fünf Zentimetern aufweisen“, so Klimaforscher Andreas Gobiet im Gespräch mit der „Krone“.
Schneemänner bauen, am Cobenzl rodeln, auf der Alten Donau eislaufen, weiße Weihnachten - könnten diese Winterfreuden bald passé sein? „Wenn wir keine Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, dann wird Schnee bereits gegen Ende des Jahrhunderts wirklich eine absolute Besonderheit sein“, so Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Mit weiteren Experten von der Universität Innsbruck, dem Climate Change Centre Austria und dem Schneezentrum Tirol hat er untersucht, wie es um den Schneefall in Österreich bestellt ist.
Im Projekt „FuSE-AT“ wird die Entwicklung der Schneedecke von 1961 bis in die Gegenwart und darauf aufbauend für drei unterschiedliche Zukunftsszenarien dargestellt. In den vergangenen 60 Jahren ist laut diesen Berechnungen über die gesamte Fläche Österreichs die Schneedeckendauer (mindestens zehn Zentimetern Höhe) im Mittel um 40 Tage und um 15 Zentimeter zurückgegangen. Wie stark die Auswirkung des Klimawandels auf die Schneedeckendauer ist, hängt dabei auch von der Höhenlage ab: Unterhalb von 1500 Metern Seehöhe zeigen sich besonders starke Abnahmen.
Für die Zukunft wurden verschiedene Szenarien berechnet: Beim „unvermeidlichen Klimawandel“ oder „2‐Grad‐Weg“ werden die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht. Im Worst-Case‐Szenario oder beim „fossilen Weg“ bremsen unsere CO2‐Emissionen gar nicht ein.
Im Worst-Case-Szenario wird es in Höhenlagen unter 400 Metern, wie etwa in Wien, zwischen 2071 nur 2100 im Schnitt pro Jahr nur mehr drei Tage mit Neuschnee geben. Ein Rückgang von 80 Prozent im Vergleich zum Zeitraum von 1971 bis 2000: Da schneite es durchschnittlich noch an 14 Tagen. Wenn wir die anvisierten Klimaziele erreichen (2-Grad-Weg), wird es immerhin noch zehn Tage mit Neuschnee pro Jahr im Zeitraum 2071 bis 2100 geben.
Worst Case: 90 Prozent weniger Tage mit Schneedecke
Im Worst-Case-Szenario wird es Ende des Jahrhunderts nur mehr rund zwei Tage pro Jahr eine Schneedecke von mindestens zehn Zentimetern Höhe geben - das entspricht einer Änderung von minus 90 Prozent im Vergleich zu 1971-2001 (16 Schneedecken-Tage/Jahr). Mit dem 2-Grad-Weg bleibt uns in der Stadt noch eine Schneedeckendauer von ca. acht Tagen/Jahr, was eine Reduzierung von 50 Prozent im Vergleich zu 1971-2000 bedeutet. In diesem vergangenen Zeitraum herrschte im Winter (1. Dezember bis 28. Februar) noch eine durchschnittliche Temperatur von 0,2 Grad Celsius.
Wenn wir keine Klimamaßnahmen ergreifen, werden sich die Winter 2071 bis 2100 im Mittel auf 4,3 Grad aufheizen. Wenn wir unsere Emissionen einbremsen, dann soll die mittlere Wintertemperatur in 50 Jahren 1,5 Grad betragen.
Grundsätzlich gibt es ein großes Auf und Ab, was Schnee betrifft. Das bedeutet, dass es auch noch gegen Ende des Jahrhunderts neben schneefreien Wintern auch noch Saisonen mit starken Schneefällen geben wird. Das heißt wiederum, dass die damit verbundene Infrastruktur, wie Schneeräumfahrzeuge, auch noch in Zukunft benötigt werden. „Die Kosten, die man durch weniger Schneefall sparen kann, werden sich nicht linear mit dem Schnee reduzieren“, so Gobiet.
„Das Ökosystem kommt durcheinander“
Für Winterfans ist diese Prognose enttäuschend - für die Natur wären diese Auswirkungen dramatisch. „Die Vegetationsperiode beginnt heute um rund drei Wochen früher als zu den Zeiten unserer Eltern oder Großeltern. Da kommt das Ökosystem durcheinander“, erklärt Gobiet. So könne es dazu führen, dass die Blüte einer Baumart schon beginne, bevor noch die Insekten zum Bestäuben ausschwirren. Wenn Pflanzen zu früh austreiben, können sie vom Frost überrascht werden.
Hoher Schaden durch „falsche“ Pflanzen
„Bei verändertem Klima wird sich auch die Artenzusammensetzung ändern“, so der Klimaforscher. Zuvor bei uns nicht heimische Pflanzen können bei uns jetzt schon als Neophyten (also Pflanzen, nicht von Natur aus hierzulande heimisch sind) ganze Gebiete zuwuchern. Schon jetzt leiden viele Allergiker zur Blütezeit vom eingeschleppten Ragweed (Ambrosia) sehr. Die Universität Wien schätzt die Kosten im Gesundheitssektor, die aufgrund von Medikamente und Krankenstände entstehen, auf 275 Millionen Euro pro Jahr.
Der Riesenbärenklau, der sich in unseren Breiten ebenfalls immer wohler fühlt, ist sehr giftig. Bei Berührung der bis zu fünf Meter hohen Pflanze kann es zu schweren Entzündungen bzw. Verbrennungen auf der Haut kommen, warnt die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).
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