Neue Details bekannt
Osama bin Laden bei Todesschuss unbewaffnet
Obamas Sprecher Jay Carney blieb am Dienstag aber dabei, dass sich der Al-Kaida-Chef - auf welche Weise auch immer - widersetzt habe. "Widerstand zu leisten, erfordert keine Feuerwaffe", sagte er wörtlich. Außerdem gab er an, dass sich eine Ehefrau bei Bin Laden befunden habe, als das Sonderkommando in den Raum stürmte. Auch sie sei unbewaffnet gewesen, habe aber versucht, einen der US-Soldaten anzugreifen. Sie sei dann ins Bein geschossen worden und habe überlebt. Damit wurde auch die Aussage, dass eine bei der Aktion getötete Frau in der Schusslinie stand und als Schutzschild verwendet wurde, relativiert.
Nach Carneys Worten wurde Bin Laden in einem Raum im oberen Stockwerk des Anwesens in Pakistan getötet. Im ersten Stockwerk habe das Kommando zwei bereits zuvor als Kuriere des Terroristenchefs identifizierte Männer erschossen, eine Frau sei im Kreuzfeuer getroffen und ebenfalls getötet worden. Während der gesamten Aktion habe es intensive Feuergefechte gegeben, so Carney. Er sprach von einer "sehr explosiven Situation".
Ein US-Sonderkommando hatte den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA in der Nacht zum Montag in Pakistan erschossen. In früheren Darstellungen hatte das Weiße Haus noch behauptet, dass die an dem Einsatz beteiligten US-Elitesoldaten darauf vorbereitet waren, den Al-Kaida-Chef lebendig zu fassen - wenn das möglich gewesen wäre.
Einsatz erfolgte im Alleingang der USA
Über den Einsatz des Spezialkommandos sei Pakistan nicht informiert gewesen, erklärte CIA-Chef Leon Panetta in einem Interview mit dem Magazin "Time". "Man hat entschieden, dass alle Versuche einer Zusammenarbeit mit den Pakistanern die Mission gefährden könnten." Die USA hätten befürchtet, dass "sie die Ziele alarmieren könnten".
Pakistans Präsident Asif Ali Zardari versicherte zwar, eine "ein Jahrzehnt andauernde Kooperation und Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan" habe zur Tötung des Terroristen-Chefs geführt. Die Kommandoaktion sei allerdings "keine gemeinsame Operation" amerikanischer und pakistanischer Sicherheitskräfte gewesen, wie er in einem Beitrag in der "Washington Post" schrieb.
Zugleich gab Zardari zu, Bin Laden sei an einem Ort gefunden worden, wo man ihn nicht vermutet habe. Sicherheitsexperten bezweifeln allerdings, dass sich Bin Laden in Pakistan ohne Wissen von Geheimdiensten und anderen Behörden des Landes aufhalten konnte.
Wird Todesfoto veröffentlicht?
Nach Angaben Carneys hat das Weiße Haus immer noch nicht entschieden, ob Fotos von der Leiche des Terroristenchefs veröffentlicht werden. Die Bilder seien zweifellos "grausig". Vor diesem Hintergrund werde geprüft, ob es nötig sei, sie zu veröffentlichen. Bin Laden soll zwei Mal in den Kopf getroffen worden sein, einmal direkt über dem linken Auge. Wie es in Medienberichten hieß, "explodierte sein Kopf".
Unterdessen forderten die radikalislamischen Taliban Beweise für den Tod von Bin Laden. "Die Amerikaner haben keine überzeugenden Dokumente vorgelegt, die ihre Behauptung beweisen und auch Osama bin Ladens engstes Umfeld hat Berichte über seinen Märtyrertod bisher weder bestätigt noch dementiert", erklärten die Islamisten am Dienstag auf einer ihrer Internetseiten. Eine Reaktion auf den Tod des Terrorchefs wäre daher "verfrüht".
Durften USA Bin Laden töten?
Fraglich ist derweil, ob die USA das Recht besaßen, Bin Laden zu töten. Das Völkerrecht erlaubt ein solches Vorgehen nur selten. Hitler hätte man demnach töten dürfen - dies wäre ein Tyrannenmord gewesen. Doch wie der Name schon sagt, versteht man darunter die Tötung eines Diktators, der ein Volk drangsaliert.
"Bei Tyrannenmord würde man eher an Gadafi denken", meint der Kölner Völkerrechtsprofessor Claus Kreß. "Bei Bin Laden passt das nicht so sehr." Genauso sieht es der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat: "Bin Laden war ja nicht jemand, der über einen Unterdrückungsapparat verfügt hat."
Juristischer Kniff könnte helfen
Den USA bliebe in diesem Fall eventuell noch ein anderer Weg, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen: Sie könnten die Tötung des Al-Kaida-Chefs als eine kriegerische Operation darstellen. Das entspräche dem, was die US-Regierung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 immer wieder gesagt hat: "Wir befinden uns in einem Krieg gegen den Terrorismus."
Tomuschat glaubt, dass die USA die Akzeptanz für "targeted killings" - gezielte Tötungen - erhöhen wollen. "Die Amerikaner versuchen, eine neue Völkerrechtsregelung zu schaffen. Irgendwann kann man eben sagen: 'Das hat sich mittlerweile konsolidiert, niemand hat widersprochen.' Das kann sehr schnell gehen."
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