An Belastungsgrenze

Lehrer „so erschöpft wie normalerweise im Juni“

Familie
18.01.2022 06:00

Technische Probleme bei den PCR-Testungen, Bürokratie-Explosion, überforderte Eltern, Kinder im psychischen Ausnahmezustand - all das bringt Lehrer derzeit an die Belastbarkeitsgrenze.

„Die erste Woche war so irre. Einige Kollegen meinten am Mittwoch, sie sind so erschöpft wie normalerweise zu Schulende im Juni“, berichtet Petra Holub, Volksschullehrerin im Wiener Bezirk Favoriten. Grund dafür ist unter anderem der Aufwand mit den Tests. „Das Computersystem von Lead Horizon ist regelmäßig überlastet, dann muss man es mehrmals versuchen, was viel Zeit kostet“, sagt sie. Hinzu kommt, dass viele Eltern verwirrt sind, weil sie mit Informationen überschüttet werden und Kinder dann ohne Test in die Schule kommen.

Auch bei der internen Kommunikation gebe es Probleme. Von der einen Seite höre man dies, von der anderen jenes. „Jeder in der Schule ist nur noch angefressen, das sollte nicht so sein“, sagt die langjährige Pädagogin.

Petra Holub ist Volksschullehrerin in Favoriten. (Bild: Foto Privat, Krone KREATIV)
Petra Holub ist Volksschullehrerin in Favoriten.

Positives Testergebnis erst nach 30 Stunden
Auch bei einer anderen Lehrerin, die anonym bleiben will, schwingt Frustration mit. „Uns wurde ein Scanner für die Testergebnisse versprochen, der funktioniert aber nicht, jetzt müssen wir erst recht alles händisch eintippen, was ewig dauert“, erzählt sie. Zudem würden die Ergebnisse oft nicht, wie versprochen, am nächsten Tag vor 7.30 Uhr eintreffen, sondern mitten im Unterricht. Letzte Woche wurde ein positives Testergebnis erst nach 30 Stunden gemeldet, wo schon längst wieder alle Kinder in einer Klasse gesessen sind.

„An manchen Tagen werden die Testkits gar nicht erst abgeholt“, berichtet die Junglehrerin. „Durch die Bürokratie und die Tests geht viel Unterrichtszeit und wertvolle Zeit für Gespräche mit den Kindern verloren“, meint eine weitere Pädagogin.

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Viele Kinder sind fix und fertig und völlig von der Rolle.

Eine Sportlehrerin

Wiener Testsystem im Vergleich „mit Abstand das beste“
Im Büro des Bildungsstadtrats reagiert man gelassen. Das Testsystem in Wien sei mit Abstand das beste im Bundesländervergleich. „Vereinzelt kann es zu Problemen kommen und die Auswertung kann schon einmal länger dauern“, sagt Julia Kernbichler, Sprecherin von Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). Im Großen und Ganzen funktioniere „Alles gurgelt“ an den Wiener Schulen aber sehr gut.

Immer mehr Diskussionen mit zornigen Eltern
Die Gurgeltest und die enorm gestiegene Bürokratie sind aber nicht der einzige Grund, warum Lehrer an ihre Belastungsgrenzen stoßen: „Viele Kinder sind fix und fertig und völlig von der Rolle. Bei uns hat ein Schüler zuletzt aggressiv die Toilettentüre eingetreten“, erzählt eine Sportlehrerin, „es braucht dringend ein verstärktes Angebot an psychologischer Betreuung!“ Denn die Pandemie habe an der Psyche der jungen Generation bereits starke Spuren hinterlassen.

Auch angespannte Situationen mit Eltern häufen sich: „Sie denken, wir Lehrer machen die Regeln, und lassen ihren Zorn an uns aus. In der Schule explodiert es, dort kommen all die gegensätzlichen Meinungen, die es zum Thema gibt, zusammen.“

„Auf Lehrern lastet großer Druck
Die „Krone“ im Gespräch mit Claudia Astner, Vorsitzende der heimischen LehrerInnen-Initiative ÖLI-UG.

Krone“: Lehrer berichten, dass sie an ihre Belastungsgrenze stoßen. Warum?
Claudia Astner: Die Situation ist für Lehrer immens belastend. Alle wollen natürlich, dass die Schulen offen sind. Allerdings gibt es einen massiven Widerspruch zwischen Realität und Ansprüchen.

Claudia Astner (Bild: Foto Privat, Krone KREATIV)
Claudia Astner

Inwiefern?
Die Kinder nimmt die Pandemie wahnsinnig stark psychisch mit. Sie müssen auf so viel verzichten, das Schule ausmacht. Sie tragen alle Maßnahmen mit. Gleichzeitig sollen sie volle Leistung bringen. Beim Lernstoff tun wir so, als gäbe es keine Pandemie. Das funktioniert einfach nicht.

Welche Unterstützung brauchen Pädagogen?
Es wäre schon eine große Unterstützung, am Freitag zu erfahren, was am Montag gelten wird - und nicht Sonntagabend aus den Medien. Das ist kein respektvoller Umgang und auch nicht mehr schaffbar. Es ist wichtig, jetzt Druck herauszunehmen und die Bürokratie abzubauen. PCR-Testungen und Listenführung sollte an administrative Kräfte ausgelagert werden. Damit sich die Lehrer wieder auf den Unterricht und die Kinder konzentrieren können.

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