Impfpflicht-Hearing

85 Prozent Impfquote oder „katastrophaler“ Winter

Politik
17.01.2022 18:27

„Erstmals einen nachhaltigen Schritt gegen die Pandemie“ sieht Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in der Impfpflicht, wie er im Rahmen eines Experten-Hearings zum entsprechenden Gesetzesentwurf am Montagnachmittag sagte. Die von den Parlamentsfraktionen in den Gesundheitsausschuss des Nationalrates geladenen Experten betonten ebenfalls, dass es bei der allgemeinen Pflicht zum Stich um eine längerfristige Perspektive gehe - und da vor allem um den heurigen Herbst. Erreicht Österreich bis dahin nicht eine Impfquote von 85 Prozent, drohe ein „katastrophaler“ Winter.

Die Impfung sei ein wirksames und sicheres Mittel - und vor allem vermutlich das wirksamste Mittel, das bis Herbst 2022 in der Pandemie-Bekämpfung zur Verfügung stehen werde, sagte die von ÖVP und Grünen geladene Rechtswissenschaftlerin Christiane Wendehorst von der Universtität Wien. Das sei auch das Zentrale, das man aus der Vergangenheit gelernt habe: „Im Jänner anfangen, sich auf den Herbst vorzubereiten.“

„Bis Oktober müssen wir es auf deutlich über 85 Prozent schaffen“
Der auf Wunsch der SPÖ in den Ausschuss gekommene Internist Christian Sebesta von der Klinik Donaustadt verwies neben der Sicherheit und Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe darauf, dass das Problem im kommenden Winter „die Unschlüssigen“ sein würden, wenn wir es nicht schafften, bis dahin die Impfquote zu steigern. „Bis Oktober müssen wir es auf deutlich über 85 Prozent schaffen“, so Sebesta. „Wenn wir das nicht erreichen, wird der nächste Winter katastrophal.“ Derzeit hat Österreich eine Gesamtimpfrate von 74 Prozent.

Gesundheitsminister Mückstein sieht in der Impfpflicht „erstmals einen nachhaltigen Schritt gegen die Pandemie“. (Bild: APA/Roland Schlager)
Gesundheitsminister Mückstein sieht in der Impfpflicht „erstmals einen nachhaltigen Schritt gegen die Pandemie“.

„Die dreimal Geimpften überleben das alle“
Eine gute Nachricht zeige eine groß angelegte Studie aus der Schweiz, die Anfang des Jahres veröffentlicht worden sei. Demnach sterben Geboosterte nicht mehr an Covid: „Die dreimal Geimpften überleben das alle.“ Und wenn man ein Optimist sei, dann könne man sagen, dass es aus Sicht des Virus logisch wäre, dass es immer ansteckender, aber weniger gefährlich werde. „Ein Virus will seinen Wirt ja nicht töten, das dürfte bereits allgemein bekannt sein.“ Aber, so Sebesta: Durch eine Mutation könnte auch wieder ein aggressiveres Virus „im wahrsten Sinne auf die Welt kommen“. 

Herdenimmunität reicht nicht: „Brauchen Durchimmunisierung“
„Wir haben nur die Wahl zwischen Impfung und Infektion, das wird einfach passieren“, sagte in einer Fragebeantwortung die ebenfalls von den Regierungsfraktionen gemeinsam geladene Vizepräsidentin der Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Susanne Rabady. Die natürliche Immunität alleine schütze nur sehr unzureichend vor anderen Varianten, auch zahle man auf diesem Weg einen sehr hohen Preis. Durch drei Impfungen sei man „gesichert“ vor einem schweren Verlauf geschützt.

Auch Rabady blickte auf den Herbst: „Wir müssen Genesene und Zweitgeimpfte drittimpfen und uns dann auf den Herbst vorbereiten, in dem wir jene ohne Schutz schützen.“ Eine Herdenimmunität könne man durch hohe Durchimpfungsraten nicht erzeugen: „Wir brauchen wirklich die Durchimmunisierung - es muss fast jeder durch die Impfung geschützt sein.“

Pandemie eine „nagelneue Irrsinnssituation“
Vorbehaltlich neuer Überraschungen in der Pandemie - die sie als „nagelneue Irrsinnssituation“ bezeichnete - könnte man mit diesem Ansatz die Umwandlung in eine Endemie schaffen. „Es ist anzunehmen, dass das Virus mit zunehmender Immunkompetenz der Bevölkerung an Virulenz abnimmt“, so Rabady, genau vorhersagen könne man es aber nicht. „Irgendwann werden wir uns darüber amüsieren, was wir in dieser Zeit mitgemacht haben.“

Experten: Gesetz verfassungsrechtlich zulässig
Die geladenen Ärzte und Wissenschaftler verwiesen auch darauf, dass das Gesetz verfassungsrechtlich zulässig sei. Lediglich der von der FPÖ geladene Völkerrechtler Michael Geistlinger übte scharfe Kritik. 
Für den von den NEOS eingeladenen Juristen Konrad Lachmayer von der Sigmund Freud Privatuniversität Wien wiegt der Eingriff in die Grundrechte durch die Impfpflicht schwer - aber die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems „wiegt schwerer“. Auch Lachmayer betonte, dass es in Hinblick auf den Herbst wichtig sei, dass jetzt gehandelt werde, „damit sich die Überlastung des Gesundheitssystems nicht wiederholt“.

Klar ablehnend kommentierte die Impfpflicht-Pläne Geistlinger. Er verwies unter anderem auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8) verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das er als verletzt ansieht. Auch wiederholte er seine bereits zuvor geäußerte Kritik hinsichtlich der Zulassung der Impfstoffe und verwies auf eine mangelnde Datenlage.

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