Bei einem Lawinenunglück mit einem oder mehreren Verschütteten zieht in der Regel eine Armada von Bergrettern, Suchhunden und Hubschraubern los. In der Vergangenheit wurde ein solches „Heer“ auch dann in Bewegung gesetzt, wenn zunächst nicht klar war, ob tatsächlich Menschen unter den Schneemassen sind. Tirols Einsatzkräfte haben nun für Lawinenabgänge eine neue, ressourcenschonende Strategie entwickelt.
Durchschnittlich rund 40 Mal pro Winter melden laut Bernd Noggler, Chef der Leitstelle Tirol, Zeugen unklare Lawinensituationen mit potenziellen Opfern. „Bei rund einem Drittel der Alarmierungen gibt es letztlich tatsächlich Beteiligte – entweder Verschüttete oder Verletzte im Bereich einer Lawine.“
Strategie bzw. Taktik angepasst
„Verdächtige Einfahrtsspuren in eine Lawine lösen häufig Notrufe aus sogenannter dritter Hand – also von Zeugen – aus“, weiß Gregor Franke, Pressereferent der Bergrettung Tirol. Angesichts der enormen Zahl solcher Meldungen mit dem überwiegenden Anteil an Fehleinsätzen haben die Tiroler Einsatzkräfte ihre Strategie bzw. Taktik angepasst. So gibt es seit dem Winter 2019 eine neue „Ausrückorder Lawine“, für die die Bergrettung hauptverantwortlich zeichnet. Die wurde in Abstimmung mit Vertretern der Notarzthubschrauber, der Alpin- und Flugpolizei sowie mit der Leitstelle Tirol und der Landeswarnzentrale erarbeitet.
Heli-Besatzung muss die Lage dann vor Ort klären
Ist die Lawinensituation „unklar“, startet laut Gregor Franke – selbst Flugretter – zunächst nur der Notarzthubschrauber. Die Besatzung muss dann vor Ort klären, ob es sich um eine alte oder frische Lawine handelt, ob Spuren auch wieder herausführen – also ob es tatsächlich Opfer gibt. „Nur wenn die Crew unsicher ist, wird die Bergrettung nachalarmiert“, sagt Franke.
Es kann durchaus vorkommen, dass sämtliche Hubschrauber in Tirol gleichzeitig in der Luft sind – etwa zur Zeit der Krokusferien in Holland.
Gregor Franke, Pressereferent der Bergrettung Tirol
Auf diese Weise lassen sich Ressourcen sparen. Diese Ressourcen werden gerade an Spitzentagen im Winter dringend benötigt. „Es kann durchaus vorkommen, dass sämtliche Hubschrauber in Tirol gleichzeitig in der Luft sind – etwa zur Zeit der Krokusferien in Holland“, weiß der erfahrene Berg- und Flugretter. Natürlich spielt der Kostenfaktor ebenfalls eine Rolle. Eine Hubschrauberminute schlägt sich durchschnittlich mit 100 Euro zu Buche, dazu kommen Kosten für die Bergretter.
Auch die indirekten Kosten darf man nicht vergessen
Nicht vergessen dürfe man indirekte Kosten, wenn die Einsatzkräfte ihren Arbeitsplatz verlassen müssen. Trotz der hohen Zahl an Fehleinsätzen sollen Zeugen aber im Zweifel unbedingt rasch Alarm schlagen, betonen Franke und Noggler unisono. Und sie sollen der Leitstelle sogenannte „Negativlawinen“ melden.
„Dabei handelt es sich um Lawinen, deren Abgang sie beobachtet haben, bei denen aber mit Sicherheit niemand verschüttet oder verletzt wurde“, informiert Viktor Horvath, Chef der Tiroler Alpinpolizei. Solche Negativlawinen bleiben im System der Leitstelle für 48 Stunden evident. Werden sie später noch einmal gemeldet, wissen die Disponenten bereits Bescheid und müssen niemanden losschicken.
Wichtig für die Melder ist übrigens, dass für sie laut Gregor Franke in keinem Fall Kosten entstehen – egal, ob es tatsächlich Verschüttete gibt oder ob es sich letztlich doch um einen Fehlalarm gehandelt hat.
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