Missbrauchstäter und Überwachungs-Freaks in toxischen Beziehungen haben seit einigen Jahren neue Werkzeuge im Einsatz: Sie spionieren das Smartphone mit Stalkerware aus, beobachten ihre Opfer mit Smart-Home-Technik und verfolgen mit Gadgets wie Apples Airtags jede Bewegung. Das Missbrauchspotenzial sei enorm und das Unrechtsbewusstsein gering, warnt ein Kaspersky-Forscher - und gibt Tipps, wie man der Überwachung durch pathologisch eifersüchtige Partner auf die Spur kommt.
Normalerweise haben es die cyberkriminellen Urheber sogenannter Spyware auf lukrative Daten wie Kreditkarten- oder Bankinformationen abgesehen. Im Gegensatz dazu zielt Stalkerware auf das Durchleuchten der Privatsphäre nahestehender Personen ab: Eifersüchtige oder gar gewalttätige Partner installieren solche Tools unbemerkt auf dem Handy ihres Opfers und spähen sein tägliches Leben aus. Vernetzte Kameras im Smart-Home oder Tracking-Anhänger wie die Apple Airtags machen es ihnen noch leichter.
Stalkerware und Tracking-Tools erlauben Totalüberwachung
In Summe ermöglicht moderne Technik die totale Überwachung der Opfer. Stalkerware am Handy meldet den GPS-Standort, belauscht Anrufe, protokolliert Social-Media-Unterhaltungen, den Browserverlauf und zapft Kamera und Mikrofon an. Smart-Home-Technik erlaubt auch ohne Zugriff aufs Handy, etwa über WLAN-Kameras, Informationen zu sammeln. Airtags und andere Tracking-Gadgets machen Alltagsgegenstände zum Peilsender.
Für die Installation von Stalkerware braucht man zwar physischen Zugriff auf das abzuhörende Gerät, dann geht es aber schnell: Die oft bestens getarnte Überwachungs-Software kann ein Täter aufspielen, während das Opfer für ein paar Minuten unter der Dusche steht oder ein Nickerchen hält.
„Es ist die technologische Spitze des Eisbergs“
David Emm, IT-Sicherheitsforscher des russischen Kaspersky-Konzerns, erklärt gegenüber „ZDNet“: „Früher war das nur in der ,echten‘ Welt ein Phänomen. Jetzt müssen wir Stalkerware in einem größeren Kontext des Missbrauchs sehen. Es ist die technologische Spitze des Eisbergs.“
Das Ausmaß des Problems ist größer, als es scheint.
David Emm, Kaspersky
2020 und 2021 habe Kaspersky Zehntausende Fälle von Stalkerware auf Handys erkannt - Tendenz leicht sinkend, wohl, weil Täter und Opfer in der Pandemie ohnehin vielfach gemeinsam zu Hause saßen. Die Zahl der toxischen Partnerschaften, in denen Überwachungstechnologie zum Einsatz komme, dürfte aber „deutlich unterschätzt“ werden. „Das Ausmaß des Problems ist größer, als es scheint.“
3 von 4 würden bei Fremdgeh-Verdacht überwachen
Das Unrechtsbewusstsein hingegen ist gering. Eine Kaspersky-Umfrage in Großbritannien habe gezeigt, dass ein Zehntel der Befragten angab, dass es in Ordnung sei, den Partner ohne dessen Wissen am Smartphone zu überwachen oder zu orten. Diese Quote steigt auf drei Viertel, wenn die Umfrageteilnehmer vermuten, ihre Partner könnten fremdgehen.
Die Leute betrachten sich nicht unbedingt als Stalker, wenn sie jemanden digital ausspionieren, statt ihn wie früher zu verfolgen, sein Tagebuch zu lesen oder seine Freunde auszuhorchen.
David Emm, Kaspersky
Emm: „Die Leute betrachten sich nicht unbedingt als Stalker, wenn sie jemanden digital ausspionieren, statt ihn wie früher zu verfolgen, sein Tagebuch zu lesen oder seine Freunde auszuhorchen, was er vorhat.“ Die Einfachheit der Überwachung sorge bei vielen für den Irrglauben, es sei in Ordnung. Und die Zahl der potenziellen Täter ist hoch: Im europäischen Durchschnitt berichten laut Kaspersky 21 Prozent der Erwachsenen, psychische oder physische häusliche Gewalt erlebt zu haben.
Stalkerware findet sich häufiger auf Android-Handys
Dem Experten zufolge findet man Stalkerware tendenziell eher auf Android-Smartphones als auf iPhones, wenngleich iPhone-Besitzer sich nicht in Sicherheit wiegen sollten und auf andere Arten - mit WLAN-Kameras oder Ortungs-Gadgets - gestalkt werden können.
Hinweise auf Stalkerware am Handy könne etwa mysteriöse Hitzeentwicklung sein, wenn der Prozessor im Hintergrund Daten verarbeitet und das Gerät den Stalker kontaktiert. Auch ein schnell leer werdender Handyakku könne ein Indiz sein. Tauchen in der Liste der installierten Apps Programme auf, die man selbst nicht aufgespielt hat und die auch nicht vom Handyhersteller stammen, sollten ebenfalls die Alarmglocken schrillen.
Bei Verdacht sollte man die Überwachungs-Tools nicht einfach löschen, sondern die Behörden kontaktieren und die verdächtige Software als Beweis vorlegen, um Ermittlungen zu erleichtern und den Täter nicht vorzuwarnen.
„Coalition Against Stalkerware“ schafft Bewusstsein
Kaspersky hat gemeinsam mit anderen IT-Security-Unternehmen und NGOs wie EFF, Malwarebytes, dem TOR-Projekt und F-Secure - siehe Video - die „Coalition Against Stalkerware“ gegründet, um für das Problem zu sensibilisieren und bei der Erkennung zu helfen. Mit TinyCheck bietet die Organisation ein Erkennungs-Tool an.
Die Funktionsweise: Bei Verdacht auf Stalkerware wird der gesamte Datenverkehr über ein Gerät, auf dem TinyCheck installiert ist, umgeleitet und auf verdächtige Aktivitäten gescannt. Der Überwacher bekommt davon nichts mit, allerdings erfordert das Tool fortgeschrittene IT-Kenntnisse und ist für den Normalanwender schwer nutzbar.
Dieser sollte eher auf die zuvor genannten Warnzeichen achten und bei Verdacht Hilfe suchen. Dabei könne man beispielsweise auf ein Wegwerfhandy zurückgreifen, wenn man befürchte, abgehört zu werden.
Apple bietet Erkennungs-Tool für Airtags an
Bei Verdacht auf Überwachung mit Tracking-Gadgets wie Airtags können Scan-Apps hilfreich sein. Apple bietet mit dem Tool „Tracker Detect“, das im Google Play Store heruntergeladen werden kann, auch Android-Nutzern eine Möglichkeit an, gegen ihren Willen platzierte Ortungstechnik aufzuspüren. Der Tracking-Anbieter Tile arbeitet an einem ähnlichen Tool.
Die Sicherheitsaspekte behandelt man nachträglich. Sie standen wahrscheinlich nicht im Vordergrund, als man diese Funktionen entwickelt hat.
David Emm, Kaspersky
Dem Kaspersky-Experten zufolge reagieren die Anbieter damit auf Versäumnisse bei der Entwicklung. „Die Sicherheitsaspekte behandelt man nachträglich. Sie standen wahrscheinlich nicht im Vordergrund, als man diese Funktionen entwickelt hat.“
Bei Apple wurde als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme ein Alarmton eingebaut, der Airtags piepsen lässt, wenn diese sich für längere Zeit vom eigentlichen Besitzer entfernen, etwa, weil sie am Auto eines Stalking-Opfers versteckt wurden. Aber auch hier gilt: Wer etwas entdeckt, sollte es nicht einfach entsorgen, sondern offizielle Hilfe suchen.
Generell, glaubt Emm, sei die beste Lösung für das Problem ein bewussterer Umgang mit der vielen Technik in unserem Alltag. „Ich denke, wir müssen uns alle daran gewöhnen, wie wichtig diese Mobilgeräte heute für uns sind und wie wichtig es ist, dass wir sie schützen.“
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