Rache für Bin Laden

Al-Kaida: “Mord wird euch wie ein Fluch verfolgen”

Ausland
06.05.2011 17:21
Das Terrornetzwerk Al-Kaida hat am Freitag erstmals den Tod seines Gründers Osama bin Laden bestätigt und Rache angekündigt. Laut dem auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierten US-Unternehmen SITE droht Al-Kaida den USA und ihren Verbündeten mit neuen Anschlägen. Der Mord an "Scheich Osama" werde die Amerikaner "wie ein böser Fluch" verfolgen, in ihrer Heimat wie auch außerhalb der Landesgrenzen, heißt es. Am Freitag gab es in mehreren Ländern Pro-Bin-Laden-Demos.

Die Muslime und "unsere Brüder in aller Welt" fordert das Terrornetzwerk auf, sich gegen die USA aufzubäumen und zu "revoltieren". Al-Kaida kündigte in der Erklärung an, "ohne Zögern und Widerwillen" den "Pfad des Jihad" fortzusetzen. Die "Schande" der Tötung Bin Ladens, die durch eine "Bande von Verrätern und Dieben" über sie gebracht worden sei, müsse getilgt werden. "Du bist als Märtyrer gestorben", heißt es in einer Stellungnahme, die am Freitag in mehreren islamistischen Internetforen auftauchte.

Wörtlich heißt es in der Erklärung: "Wir geloben in der Al-Kaida-Organisation Allah dem Allmächtigen, den Pfad des Jihads, den von unseren Führern und zuvorderst Sheikh Osama begangenen Pfad, ohne Zögern und Widerwillen weiter zu beschreiten - und bitten um Seine Hilfe, Unterstützung und Standhaftigkeit. Und wir werden nicht abweichen oder etwas ändern, bis Allah zwischen uns und zwischen unserem Feind mit Wahrhaftigkeit richtet. In der Tat ist er der beste aller Richter. Nichts wird uns Schaden zufügen, bis wir entweder Sieg und Erfolg und Eroberung und Ermächtigung sehen, oder dabei sterben, es zu versuchen."

"Das Blut des Mujaheddin Scheich Osama bin Laden, möge Allah ihm gnädig sein, wiegt für uns und für jeden Muslim schwerer und ist wertvoller, wenn es nicht umsonst vergossen wurde. Es wird (...) ein Fluch für die Amerikaner und ihre Befehlsempfänger bleiben, der sie in- und außerhalb ihrer Länder verfolgen wird. Bald wird sich ihre Freude mit der Hilfe Allahs in Leid wandeln, und ihr Blut wird sich mit ihren Tränen mischen. Wir werden den Eid von Sheikh Osama (...) erfüllen: Amerika und die dort lebenden Menschen werden niemals sicher sein, bis unser Volk in Palästina Sicherheit genießt. Die Soldaten des Islam, Gruppen und Einzelne, werden ohne Müdigkeit und Lustlosigkeit weiter planen, (...) bis sie die Katastrophe auslösen können, die Kinder wie Alte aussehen lässt!"

"Wir rufen unser muslimische Volk in Pakistan auf, auf deren Land Sheikh Osama getötet wurde, sich zu erheben und die Schande zu reinigen, die von einer Bande von Verrätern und Dieben, die alles an die Feinde der muslimischen Glaubensgemeinschaft verkauft haben (...), über sie gebracht wurde. Wir rufen sie auf, sich kraftvoll zu erheben und dieses Land von dem Schmutz der Amerikaner, die Korruption verbreitet haben, zu säubern."

Eine Reaktion aus den USA auf die Stellungnahme gab es vorerst nicht. Die Regierung von Präsident Barack Obama, der am Freitag jene Soldaten besuchte, die bei der Kommandoaktion in der Nacht zum 2. Mai den Al-Kaida-Anführer töteten, hüllt sich derzeit in Schweigen, was weitere Angaben zur Causa und im Speziellen zum Einsatz betrifft. Nachdem die Darstellungen der Aktion in den vergangenen Tagen mehrmals abgeändert werden mussten, werde man vorerst keine Stellungnahmen mehr abgegeben, hieß es.

Bin-Laden-Anhänger gehen in Pakistan auf die Straßen
Am Freitag gab es in mehreren muslimischen Ländern größere Aufmärsche von Islamisten. In der Türkei demonstrierten einige Hundert gegen die Bin-Laden-Tötungsaktion, auf den Philippinen und in Indonesien hielten radikale Prediger Kundgebungen ab. Die mit bis zu 2.000 Beteiligten größten Aufmärsche gab es in Pakistan. In der Nähe der Stadt Quetta gingen 1.500 Demonstranten einer Taliban-nahen Partei auf die Straßen und riefen zum Heiligen Krieg gegen die USA auf. "An Osamas Dienste für die Muslime werden wir uns immer erinnern", sagte ein ranghoher Vertreter der Partei Jamiat-Ulema-e-Islam, JUI. "Diese Versammlung zollt ihm Anerkennung."

Der frühere Senator und ranghohe JUI-Vertreter Fazal Mohammad Baraich sagte, die Tötung Bin Ladens durch die USA werde Tausende andere wie ihn hervorbringen. "Ein Osama wurde ermordet, und nun werden Tausende Osamas geboren werden", sagte er, die Demonstranten trugen gleich lautende Transparente durch die Straßen (siehe Bilder). Der "Jihad" gegen die USA und ihre Verbündeten werde weitergehen. Auch Pakistans größte religiöse Partei Jamaat-e-Islami hatte zu Protesten gegen den US-Kommandoeinsatz aufgerufen. Die Anhänger der Partei kamen auch in Abbottabad, jener Stadt, in der sich Bin Laden meherere Jahre lang versteckt gehalten hatte, zusammen. Im ägyptischen Kairo demonstrierte eine Gruppe Salafisten vor der US-Botschaft.

Internationale Beobachter rechneten nach der Tötungsaktion allerdings nicht mit einem neuen Aufstreben des radikalen Islams in Pakistan. Wenngleich das Land sehr religiös sei, teile nur eine kleine Minderheit die Ansichten Bin Ladens und der Al-Kaida.

BND warnt for "fanatischen Einzeltätern" 
Der deutsche Bundesnachrichtendienst warnt am Freitag vor Racheaktionen fanatischer Einzeltäter. "Wir müssen derzeit besonders auf Einzeltäter achten, die nicht aus fest strukturierten Zusammenhängen kommen, sondern mit Bestrafungsaktionen ihren Beitrag zum Jihad leisten wollen", sagte BND-Chef Ernst Uhrlau dem "Spiegel". Attentäter wie der Frankfurter Islamist, der im März zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen erschossen hatte, seien mindestens eine so große Gefahr wie die Al-Kaida selbst.

Der Tod ihres Anführers werde das Terrornetzwerk allerdings auch vor große Probleme stellen, glaubt Uhrlau. Es sei sehr fraglich, ob Spenden, die vor allem wegen Bin Laden eingegangen seien, künftig noch weiter fließen würden. Zu den Extremisten, die in der Ära nach Bin Laden an Bedeutung gewinnen könnten, zählt Uhrlau den Chef von Al-Kaida im Jemen, Anwar al-Aulaki. "Er gilt als charismatisch, er hat schon große Operationen geleitet, ihm traue ich eine größere Rolle zu", so der BND-Chef. In Deutschland wurden am Freitag in Freiburg aus Sicherheitsgründen etwa 250 Reisende aus einem ICE evakuiert. Der Zug sei nach Hinweisen auf eine Gefährdungslage gestoppt und durchsucht worden, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Es sei jedoch nichts Verdächtiges entdeckt worden.

Datenträger-Auswertung in USA derzeit oberste Priorität
In den USA liegt die Konzentration derzeit auf der Auswertung der beim Einsatz beschlagnahmten Al-Kaida-Materialien, eine Fülle von Datenträgern und Computer. "Ich wäre sehr überrascht, wenn das keine Goldmine für uns ist", sagt am Freitag John McLaughlin, ein früherer Vize-Direktor der CIA. Die Ermittler erhoffen sich Informationen über Aufenthaltsorte von weiteren hochrangigen Al-Kaida-Mitgliedern und Hinweise auf mögliche Anschlagspläne.

Einen ersten spektakulären Fund machten sie in dem Datenwust schon nach wenigen Tagen: Offenbar plante Al-Kaida seit Februar 2010, "eine Operation gegen Züge an einem unbestimmten Ort in den Vereinigten Staaten zum 10. Jahrestag des 11. September 2001 auszuführen". Unklar blieb allerdings, ob diese Planungen seither weiter vorangetrieben wurden (siehe Bericht in der Infobox).

Justizministerium rechnet mit neuen Verdächtigen
Eine Taskforce aus Experten der CIA, des auf elektronische Überwachung spezialisierten Geheimdienstes NSA, des Justizministeriums und anderer Stellen seien mit der Sichtung und Auswertung befasst - eine Mammutaufgabe, die Monate und möglicherweise Jahre in Anspruch nehmen könnte. Die Experten sollen sich zunächst auf die "Aufdeckung fortdauernder Bedrohungen" sowie Hinweise auf mögliche andere Zielpersonen innerhalb Al-Kaidas konzentrieren, wie der Chef des Nationalen Anti-Terror-Zentrums, Michael Leiter, sagt. Justizminister Eric Holder rechnet damit, dass durch den Datenschatz neue Terrorverdächtige ins Fadenkreuz der USA geraten werden. "Wahrscheinlich" werde Washington weitere Namen auf die schwarze Liste setzen, sagte Holder bei einer Senatsanhörung am Freitag

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