Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Die Nerven liegen blank und das Geschäft brach. Mit Taxis bzw. Mietwagen durch die Gegend zu fahren ist gegenwärtig alles andere als ein Zuckerschlecken. Sinkende Fahrgastzahlen, Angst vor einer Omikron-Ansteckung und allgemein viele Unsicherheiten bezüglich des richtigen Verhaltens in der Öffentlichkeit. Woran noch festhalten in einer Zeit, wo niemand mehr weiß, was richtig oder falsch ist und die Spielregeln fast im Wochentakt adaptiert werden? Unsicherheiten, die Petar am eigenen Leib verspürt und ihn selbst aus der Ruhe bringen. Die Uber-App zeigt mir eine Durchschnittsbewertung von 4,89/5 an, von Freundlichkeit ist aber wenig zu bemerken.
„Das Geschäft läuft richtig schlecht. Die Leute haben kein Geld mehr und setzen sich nicht mehr ins Taxi. Mir geht alles so richtig am Nerv.“ Der hünenhafte Mittvierziger ist unentspannt und latent aggressiv. Ich wundere mich über die Stimmung. Frage zaghaft nach, wie viele Fahrten er denn momentan pro Tag habe. „Was geht dich das an? Bist du vom Finanzamt oder was?“, tönt es mir entgegen. Small Talk ist eindeutig abgesagt. Die hohe Durchschnittsbewertung wirft Fragen in mir auf. Wie geht sich das aus, wenn man Fahrgästen verbal dermaßen rustikal auf die Rückbank grätscht?
Doch wie überall im Leben geht es um den richtigen Kontext und das nötige Verständnis. Petar müht sich sicht- und fühlbar schwer ab, um in diesem Job gerade überleben zu können. Kurz vor dem abrupten Ende der kurzen Unterhaltung hat er mir noch erzählt, dass er seit fast zwei Jahrzehnten in diesem Job sei und es noch nie so schwierig war wie gerade jetzt. „Du sitzt im Home Office, ich kann das nicht. Ich bin direkt auf andere Menschen angewiesen.“ Den Rest der gut 20-minütigen Fahrt üben wir uns in rhetorischem Verzicht. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Da ist manchmal schon was dran…
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