Mit gut 13 Monaten war das Warten auf das schriftliche Urteil im Verfahren gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser recht lang. Begründet wurde die lange Prozessdauer zuvor mit der Komplexität des Verfahrens. Seit Freitagfrüh liegt das Urteil endlich vor. Die Richterin geht dabei mit dem Ex-Minister hart ins Gericht. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, warten auf Grasser acht Jahre Haft - nun ist die Verteidigung mit allfälligen Einsprüchen am Zug.
Bei dem Verfahren handelt es sich um den größten Korruptionsprozess, den Österreich in der Nachkriegszeit bisher erlebt hat. Nicht weniger als sieben Jahre lang war in der Causa ermittelt worden. Richterin Marion Hohenecker präsentierte nun am Freitag die knapp 1300 Seiten starke umfangreiche Urteilsausfertigung. Bereits die Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vom Juli 2016 umfasste 825 Seiten.
„Kamen überein, privaten Profit zu schlagen“
„Aus seinen Tathandlungen erhellt, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser gegenüber rechtlich geschützten Werten eine besonders gleichgültige Einstellung hegt“, schreibt nun die Richterin. Zum Tatplan der nicht rechtskräftig Verurteilten heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Schriftstück: „Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, ... überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen.“
„Ebenso zu berücksichtigen war, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen auch höchster Organwalter entsprechende Sanktionen nach sich ziehen; denn nur so kann die Normtreue sichergestellt werden“, hieß es weiter.
Grasser: „Weiß, dass ich unschuldig bin“
Das erstinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig - Grassers Anwalt, Manfred Ainedter, hatte bereits kurz nach der Verlesung angekündigt, dagegen berufen zu wollen - bereits am Freitag kündigte er an, eine Fristverlängerung zu beantragen. „Ich weiß, dass ich unschuldig bin“, hatte Grasser seinerzeit erklärt, der sich nach dem Urteil „traurig, schockiert und erschrocken“ zeigte.
Eine Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen vier Wochen ab Zustellung des schriftlichen Urteils einzubringen. Im Falle extremen Umfangs des Verfahrens habe das Landesgericht diese Frist über Antrag zu verlängern, heißt es.
Ungereimtheiten bei Buwog und Terminal Tower
Die mündliche Urteilsverkündung im Grasser-Prozess war bereits am 4. Dezember 2020 erfolgt. Der Strafprozess hatte am 12. Dezember 2017 begonnen. Angeklagt war Korruption in der Causa Bundeswohnungs-Privatisierung (Buwog u.a.) und in der Causa Linzer Terminal Tower.
Gegen Grasser, Peter Hochegger, Walter Meischberger, Ernst Plech sowie zwölf weitere Personen wurde wegen des Verdachts auf Untreue und illegale Geschenkannahme erhoben. Konkret geht es darum, dass im Zuge des Bieterprozesses rund um die Privatisierung der Wohngenossenschaft Buwog und des Linzer Bürohauses Terminal Tower Insiderinformationen weitergegeben worden seien, durch die der Republik Einnahmen (9,6 Mio. Euro bei der Buwog, 200.000 Euro beim Terminal Tower) entgangen sein sollen. Als Gegenleistung dürften dabei Millionenzahlungen geflossen sein.
Das Gericht befand Grasser schließlich in den Anklagepunkten Untreue, illegale Geschenkannahme und Beweismittelfälschung für schuldig. Sein Urteil ist neben jenen für weitere sieben Angeklagte nicht rechtskräftig, da sie noch berufen können. Bei den sechs weiteren Angeklagten gibt es rechtskräftige Freisprüche.
Dazu kamen noch im Laufe des Verfahrens weitere Anklagen, die das Verfahren noch länger und aufwendiger machten. Durch die Corona-Pandemie kam es zudem im Jahr 2020 zu einer längeren Unterbrechung des Strafprozesses.
Neben acht Jahren Haft für Grasser setzte es damals sieben Jahre für den Lobbyisten Walter Meischberger und sechs Jahre für Peter Hochegger, ebenfalls nicht rechtskräftig. Seitdem warteten die Angeklagten auf die schriftliche Ausfertigung des Urteils.
OLG wies Antrag auf Fristsetzung ab
Grasser hat sich ja mehrfach nicht schuldig bekannt, er sieht den Spruch als Fehlurteil. Zuletzt bescheinigte ihm das Oberlandesgericht (OLG) in Reaktion auf einen (zweiten) Fristsetzungsantrag (damit versuchte Grasser, Tempo zu machen), dass „das Urteil penibelst zu begründen“ sei. Um damit „allfällige weitere jahrelange Rechtsgänge zu vermeiden“.
Unabhängig von diesem Verfahren wird Grasser schon bald wieder im Wiener Straflandesgericht auf der Anklagebank sitzen. Dabei geht es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Auch hier bestreitet der ehemalige Star der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sämtliche Vorwürfe. Dieses Steuerverfahren führt allerdings nicht Hohenecker, sie ist von der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen in eine allgemeine Abteilung gewechselt.
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