Die publik gewordenen Zusatzvereinbarungen von Türkis-Grün und Türkis-Blau sorgen für massiven Wirbel. Die Opposition übt Kritik, die Regierungsparteien verteidigen den „Sideletter“ - derlei sei notwendig und in Koalitionen völlig normal, heißt es. Indes tauchen weitere Details aus dem Pakt auf - die „Krone“ kennt sie.
Es waren nur einige Seiten, die am Freitagabend das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben - aber sie sprechen Bände über die Art und Weise, wie Parteien hierzulande öffentliche Top-Jobs aufteilen. In den geheimen Zusatzverträgen zum jeweiligen Regierungsprogramm wurde klar geregelt, welche Partei welche Posten besetzen darf, vom EU-Kommissar bis zum Verwaltungsgerichtshof. Der Job-Geheimpaktakt der ÖVP mit der FPÖ, die eigentlich seit Jahrzehnten offiziell gegen die Parteibuchwirtschaft wettert, sah zudem das Ende der ORF-Gebühren vor. Dass diese „Sideletter“, wie sie im Polit-Sprech heißen, überhaupt publik geworden sind, liegt wohl am ÖVP-U-Ausschuss, in dem das türkis-blaue Papier auftauchte.
Wöginger spricht von „gekünstelter Aufregung“
Alles normal, sagt die Koalition: ÖVP-Klubchef August Wöginger spricht von „gekünstelter Aufregung“, derlei Verträge seien „eine übliche und legitime Vorgangsweise und für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Regierungsparteien absolut essenziell“. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ergänzte noch, dass so ein Pakt nötig gewesen sei, damit die ÖVP „nicht alle Posten besetzt“.
Kopftuchverbot kommt „im Laufe der Legislaturperiode“
Unterdessen wurden nun neue Details aus dem türkis-grünen „Sideletter“ bekannt. Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Kogler einigten sich vor zwei Jahren nämlich darauf, dass die Grünen den Nachfolger Norbert Stegers als Chef des ORF-Stiftungsrates aussuchen dürfen, Favorit wäre laut Insidern Hofburg-Berater Lothar Lockl. Verhandlerkreisen zufolge wollte die ÖVP im Gegenzug eine prestigeträchtige Maßnahme paktiert wissen, die den Grünen zu heikel war, um sie ins offizielle Programm zu schreiben: ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Dieses wird, so der türkis-grüne Deal, „im Laufe der Legislaturperiode eingeführt“.
Gastkommentar von Andreas Khol: Postenbesetzungen in einer Koalition
Jede Bundesregierung trifft Personalentscheidungen: Spitzenpositionen in Justiz und Verwaltung, staatseigenen Betrieben, Aufsichtsräten, u. v. a. m. Alle Koalitionsregierungen legen daher fest, wie sie bei Postenbesetzungen miteinander umgehen. Das ist notwendig, um ständigen Streit zu vermeiden. Denn die Bundesregierung kann nur einstimmig entscheiden.
In den meisten Fällen geht es um Vorschläge an den Bundespräsidenten: Die Regierung schlägt vor, der Bundespräsident ernennt. In manchen Fällen entscheidet die Bundesregierung allein - aber fast immer ist in den Gesetzen vorgesehen, dass dieser Entscheidung ein Verfahren vorauszugehen hat - z. B. eine öffentliche Ausschreibung oder eine Personalkommission.
In geheimen schriftlichen Vereinbarungen wird daher für alle infrage kommenden Positionen festgelegt, welcher der Regierungspartner das Vorschlagsrecht für die Entscheidung der Regierung hat. Ist bereits absehbar, wann eine bestimmte Position zu besetzen ist, werden auch Namen festgehalten. Die Parteibezeichnung in Klammer hinter dem Namen betrifft nicht diese Person, sondern welche Partei den Vorschlag macht. Solche Absprachen sind weder gesetzeswidrig noch unanständig, sondern absolut notwendig und gehören zu jeder Regierungsbildung dazu.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.