Live im Konzerthaus

Peter Cornelius: Geburtstagsfeier eines Unbequemen

Wien
30.01.2022 11:47

Ein Jahr verspätet feierte Austropop-Urgestein Peter Cornelius im randvollen Wiener Konzerthaus seinen Geburtstag mit einer fulminanten Soloshow. Der meinungsstarke Liedermacher begeisterte zum 71er mit vielen Hits und interessanten Geschichten. Über den Publikumszuspruch zeigte er sich ungewohnt gerührt.

„Des ist ihm doch eh wuascht“, zwinkert mir eine Sitznachbarin zu, nachdem sich die 1500 Fans im edlen Ambiente des Wiener Konzerthauses erheben, um dem Jubilar auf der Bühne ein „Happy Birthday“ zu singen. Peter Cornelius, streitbarer und zuweilen auch unbequemer Liedermacher und Austropopper, zeigt sich von dieser Einlage aber durchaus gerührt. „Danke, dass ihr meinen 17. Geburtstag mit mir feiert“, führt er augenzwinkernd aus. Natürlich ist es der 71. und natürlich wollte er ursprünglich den runden feiern. Alles war angerichtet. Das brandneue Album „Tageslicht“ und ein ausverkauftes Konzerthaus für eine unvergessliche Soloshow. Doch die Pandemie ließ sich nicht schnell genug bezwingen und das Land befand sich im Veranstaltungsstillstand. So wurde aus der großen Feier ein gemütliches Achterl Rot im Wienerwald - und die Feier eben heuer nachgeholt.

Auf der Bühne daheim
„Nachdem ich als Singer/Songwriter doch schon ein bisschen in die Jahre gekommen bin, habe ich diese wundervolle Zuneigung des Publikums sehr genossen“, erzählt uns der Künstler nach dem Auftritt im „Krone“-Gespräch, „es war definitiv ein Treffen mit Freunden und ich war überwältigt.“ Freunde, Bewunderer und Wegbegleiter sollten Zeugen eines pandemiegerechten, aber auch sehr stimmungsvollen Abend zu werden. 1G plus Booster, samt aktuellem PCR-Test und Maskenpflicht war die Direktive - die für so manchen überzogen wirkende Strenge sorgte aber auch für das größtmögliche Sicherheitsgefühl. Jubilar Cornelius benötigt nur die Akustikgitarre, ein Mikro, Verstärker und seine Stimme, um das Konzerthaus zum Beben zu bringen. Ein Haus, das ihn mit seiner Wärme und Schönheit immer noch zu begeistern weiß. „Mein erstes Live-Album in den 80er-Jahren ist hier entstanden. Mich verbinden nur gute Erinnerungen mit diesem Saal.“

Inhaltlich liefert der 71-Jährige ein buntes Themen-Panoptikum, das von Gesellschaftskritik über Nostalgie bis hin zu humoristischer Ungezwungenheit reicht. Das einleitende „Schatten und Licht“ wird folgerichtig als „Lied zur Zeit“ bezeichnet und mit viel Optimismus durchtränkt. „Wo so viel Schatten sind, scheint irgendwo die Sonn‘“ tönt es aus dem Refrain und rund 1500 Menschen wollen es ihm hier und heute glauben. Lässig mit Kaugummi intoniert sich Cornelius durch den Beginn seines Sets und erweist sich als profunder Geschichtenerzähler. „Süchtig“ nach der Liebe, viel Lokalkolorit bei der „Hinterhofprinzessin“ und erstmals ein begeisternd klatschendes Publikum bei „Es wird immer sei‘, wie’s immer war“. Jetzt hat auch das Publikum seine Betriebstemperatur erreicht und geleitet den grau melierten Lockenkopf durch sein Set, das aus 50 Jahren voller Hits besteht.

Ode an die Naivität
Die fehlende Backing-Band nimmt vielleicht die Wucht der Songs, nicht aber die immergültige Kraft der wohldurchdachten Texte. Er besingt die einzig wahren Freunde, nämlich die unbequemen und gibt zu, dass auch ein Raubein seiner Art manchmal „Streicheleinheiten“ braucht. Kurz vor der Pause erweist sich der Gassenhauer „Ganz Wien“ als frühes Highlight des Abends. Cornelius knüpft ein herzhaftes Gitarrensolo ein, das unweigerlich Südstaaten-Blues-Feeling aufkommen lässt. Der Wiener ist auch im gehobenen Alter ein Rebell mit klar definierter Meinung. „Schau wie sich Menschen ändern“ hat auch gut 35 Jahre nach seiner Entstehung nichts von seiner Wucht verloren. Gleich darauf legt er „Der Kaffee ist fertig“ drauf. Ein Song, der einst bei der deutschen Plattenfirma ob seiner einfachen Aufmachung für Stirnrunzeln sorgte, wie sich Cornelius schmunzelnd erinnert. „Ich war damals voller Naivität. Behaltet sie euch, so lange es geht. Denn ist sie einmal weg, kann man sie sich nur sehr schwer zurückholen.“

So ganz alleine mit seiner sechssaitigen dritten Hand auf der Bühne kommt der Musiker vielen seiner Idole wie Bob Dylan näher als er glaubt. Das österreichische Lokalkolorit vermengt sich mit der klassischen Ausstattung des Saals und einem sehr dankbaren Auditorium, das sich gleichermaßen über ihren Helden als auch über die Tatsache freut, in diesen prekären Zeiten Teil eines echten Events voller Ohrwürmer zu sein. Mit „Reif für die Insel“, „Bevor i geh“, „Segel im Wind“ und natürlich „Du entschuldige i kenn di“ kommt die Hitgewalt am Ende so geballt, dass Cornelius den Gesang vornehmlich seinen Fans (darunter ein enthusiasmierter Peter Rapp) überlässt. Aber auch hier vergisst er nicht darauf, den Spaß mit Ernst zu vermengen. Das fein eingestreute „Hoffnung“ beweist, dass man auch eine zwanglose Geburtstagsfeier an ihrem Höhepunkt mit ernsten Tönen füttern kann.

Gerührt wie selten
Je später der Abend, umso deutlicher kehrt Cornelius die Lieder hervor, ohne groß Anekdoten dazu zu erzählen. Am Ende der rund 100-minütigen Show zeigt sich der Purkersdorfer gerührt wie selten und weiß, dass die Kombination aus seinem Geburtstag, der Stimmung und der allgemein verzwickten Lage in der Welt da draußen an einem Abend wie diesen einen exklusiven Seltenheitswert besitzt. Sichtlich gerührt hält er mit den Emotionen nicht haus und ist auch beim Gespräch danach noch begeistert. Für das weitere Jahr hat er noch gar keine Pläne. „Was soll man planen, an Tagen wie diesen? Die Lieder, die ich aufgrund der derzeitigen Lage schreiben würde, würde keine Rundfunkstation spielen.“ Cornelius bleibt offen für alles und lässt sich nicht einengen. Die Stimmung im Konzerthaus war ihm tatsächlich alles andere als „wuascht“. Es war pure Freude samt Dankbarkeit. Keine nostalgisch konnotierte Altersmilde.

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