Trotz der gemeinsamen Verteidigungslinie, wonach es Geheimvereinbarungen oder „Sideletter“ in jeder Regierung der Zweiten Republik gegeben habe und man so eine Zusammenarbeit absichere, haben die jüngst öffentlich gewordenen Posten-Aufteilungen zwischen der ÖVP und den Grünen das Potenzial für koalitionären Ärger. Denn die grüne Parteispitze geht davon aus, dass das Papier aus dem Umfeld von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit für die Grünen ungünstigem „Spin“ an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Beim heutigen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) geht man allerdings davon aus, dass dieser davon nichts wusste.
Das Papier, in dem diverse Personalentscheidungen detailliert zwischen den Parteien aufgeteilt wurden, enthält, wie auf krone.at berichtet, auch eine Abmachung zum ORF. Wie aus dem Schriftstück hervorgeht, haben die Grünen das Vorschlagsrecht für den Stiftungsratsvorsitzenden. Dass man dafür der Einführung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen zustimmen wollte, wurden am Sonntag von Parteichef Werner Kogler und Klubobfrau Sigrid Maurer allerdings vehement zurückgewiesen.
Abschaffung der Hacklerregelung ebenfalls fixiert
Man habe das von den Grünen als „No Go“ bezeichnete Verbot in den Koalitionsgesprächen eigentlich wegverhandelt. Die ÖVP habe es daraufhin über einen Erlass regeln wollen, von dem man ohnehin gewusst habe, dass dieser nie vor dem VfGH halten würde. Dass er im „Sideletter“ steht, sei Wunsch der Volkspartei gewesen, damit die Grünen nicht behaupten könnten, nichts von dem Vorhaben gewusst zu haben.
Inhaltlich ebenfalls interessant ist, dass in dem Geheimpakt die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung fixiert ist. Dass dieser Punkt nicht ins Regierungsprogramm gekommen ist, soll ebenfalls Wunsch des damaligen Kanzlers Kurz gewesen sein. Dieser habe der SPÖ kein Kampagnen-Thema zukommen lassen wollen. Für die Grünen sei dieser Passus, der die frei gewordenen Mittel der Bekämpfung der Altersarmut zuschreibt, ja sogar positiv gewesen.
Wer wusste vom Zusatzpapier und wer nicht?
Innerparteilich brisant dürfte sein, dass vom Zusatzpapier zum Koalitionsvertrag offenbar nur ein ganz kleiner Kreis, aber nicht einmal das gesamte Verhandlungsteam Bescheid wusste. So erklärte die frühere Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein, die ebenfalls Teil des grünen Verhandlungsteams war, dass das Auftauchen des Kopftuchverbots in einem „Sideletter“ für sie neu sei. „Dass inhaltliche Positionen über den Sideletter ausgehandelter und weder Teilnehmerinnen des Verhandlungsteams noch den Delegierten des Bundeskongresses vorgelegt wurden, ist irritierend“, schrieb Hebein auf Twitter.
Maurer meinte am Sonntag jedoch, dass der Erweiterte Bundesvorstand über die Inhalte des Abkommens mit der ÖVP auch über den Regierungspakt hinaus informiert worden sei. Was die Postenbesetzungen angeht, betont die grüne Spitze, dass es immer nur darum gegangen sei, kompetente Personen in Positionen zu bringen. Daher seien in dem Abkommen im Gegensatz zum „Sideletter“ zwischen ÖVP und FPÖ keine Namen eingesetzt, sondern die Funktionen würden erst nach Ausschreibungen vergeben.
Dass Nehammer von dem Leak informiert war, glauben Kogler und Maurer nicht. Im Gegenteil nehmen sie an, dass auch der nunmehrige ÖVP-Chef über dieses nicht erfreut sei. Dennoch nimmt man Nehammer in die Pflicht, in seiner Partei für Ordnung zu sorgen.
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