Trotz Amnestie
100 Ex-Regierungsmitarbeiter von Taliban ermordet
Seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan vor fünf Monaten haben die radikalislamischen Taliban einem UN-Bericht zufolge wahrscheinlich mehr als hundert ehemalige Regierungsmitarbeiter und Ortskräfte internationaler Stellen getötet. Ungeachtet der von den Taliban verkündeten Generalamnestie gebe es „glaubwürdige Anschuldigungen über Tötungen“ sowie „gewaltsames Verschwindenlassen“, hieß es in einer von der Nachrichtenagentur AFP Sonntag eingesehenen Vorabversion des Berichts.
Bei mehr als zwei Dritteln der Tötungen handelte es sich laut dem von UN-Generalsekretär António Guterres vorgelegten Bericht um „außergerichtliche Tötungen, die von den De-facto-Behörden oder ihren Verbündeten begangen wurden“. Mit „De-facto-Behörden“ umschreibt die internationale Gemeinschaft die derzeit von keinem Land der Welt anerkannte Taliban-Regierung in Kabul.
Die Taliban wiesen die Vorwürfe am Montag zurück. „Das Islamische Emirat hat seit Verkündung der Amnestie niemanden getötet“, erklärte das Innenministerium im Onlinedienst Twitter. Bei den gemeldeten Tötungen handle es sich um Folgen „persönlicher Feindschaften“. Die Fälle würden untersucht.
Weitere Menschenrechtsverletzungen angeprangert
Der UN-Bericht prangerte weitere massive Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban an. So seien etwa Menschenrechtsaktivisten und Medienschaffende laut glaubwürdigen Berichten „weiterhin Angriffen, Einschüchterungen, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Tötungen ausgesetzt“. Friedliche Proteste würden von den Taliban verhindert, der Zugang zu Arbeit und Bildung für Frauen und Mädchen sei seit der Machtübernahme der Taliban massiv beschnitten.
Seit ihrer Rückkehr an die Macht geben sich die radikalislamischen Taliban nach außen moderater als während ihrer brutalen ersten Herrschaft von 1996 bis 2001. International bestehen aber erhebliche Zweifel an der Zusage der Taliban, die Menschenrechte zu schützen. Ehemalige Ortskräfte der US-Armee, Bundeswehr und anderer internationaler Truppen oder unabhängiger Organisationen fürchten seit der Machtübernahme der Taliban um ihre Sicherheit.
Viele mit Aufnahmezusage hängen in Drittländern fest
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin von Ende Jänner stellte die Bundesregierung bis Mitte des Monats rund 20.400 Aufnahmezusagen für frühere afghanische Ortskräfte und deren Angehörige aus. Hinzu kommen rund 8000 Zusagen für die Aufnahme von besonders gefährdeten Menschen wie Journalisten oder Frauenrechtlerinnen.
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Ein wesentlicher Teil dieser Menschen konnte bisher allerdings nicht in Sicherheit gebracht werden. Dem Auswärtigen Amt zufolge reisten seit Mitte Mai mehr als 9300 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland ein, weitere Menschen mit Aufnahmezusage befinden sich demnach in Drittstaaten wie Pakistan. Tausende andere warten indes noch in Afghanistan auf ihre Ausreise.
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