Wie erwartet hat die EU-Kommission am Mittwoch grünes Licht für die umstrittene Taxonomieverordnung gegeben und damit Atomkraft und Erdgas als „klimafreundliche“ Energieformen klassifiziert. Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke werden damit unter „bestimmten und strengen Auflagen“, wie es die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness am Mittwoch erklärte, als nachhaltige Finanzierungen gewertet.
McGuinness betonte aber, dass es sich bei der Taxonomie um Werkzeuge handle, die „auf freiwilliger Basis“ benützt werden können. Die EU-Kommission schreibe keinem Mitgliedsstaat vor, wie er die Anreize setzen solle. Bei der Taxonomie handelt es sich um eine Art Klassifizierung für EU-weit einheitliche Kriterien, die bestimmen sollen, welche Finanzprodukte und Investitionen sich als nachhaltig im ökologischen Sinne deklarieren dürfen - das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren. Private Investoren sollen ermuntert werden, in die entsprechenden Energieträger zu investieren, aber auch für staatliche Fördergelder spielt die Einordnung eine große Rolle.
Brunner: „EU konterkariert Agenda des ,Green Deals‘“
Erwartungsgemäß kritisch hat die österreichische Politik auf das von der EU-Kommission vorgeschlagene „grüne Label“ für die Atomkraft reagiert. „Atomkraft ist weder ,grün‘ noch nachhaltig. Ich kann die Entscheidung der EU nicht nachvollziehen“, teilte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Twitter mit und signalisierte gegenüber Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) „meine volle Unterstützung bei der Prüfung rechtlicher Schritte“. Österreich werde weiterhin auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger setzen, versicherte der Regierungschef.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) warf der Brüsseler Behörde vor, mit ihrer Entscheidung, Atomkraft als klimafreundlich einzustufen, ihre eigenen Bemühungen zum Klimaschutz zu untergraben. „Die EU konterkariert die Agenda des ,Green Deals‘“, sagte Brunner. Gewessler wollte sich am Mittwochnachmittag in einer Pressekonferenz zum weiteren Vorgehen der Bundesregierung äußern.
Kritik an der Kommissionsentscheidung gab es auch von der Opposition. „Wir sind dagegen, dass Gas und Atomstrom da hineingenommen werden“, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Mittwoch in einer Pressekonferenz zur Taxonomie-Verordnung. Gas als nachhaltige, umweltschonende Energiequelle zu bezeichnen; „ist einfach nicht in Ordnung“. NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon betonte, dass das Taxonomie-Regelwerk nun „völlig unbrauchbar“ sei. „In der Sekunde, in der der Vorschlag der Kommission das Parlament erreicht, werde ich gemeinsam mit anderen Abgeordneten Widerspruch einlegen“, so Gamon.
Karas: Alle österreichischen EU-Abgeordneten werden Einspruch einlegen
ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas teilte auf Twitter mit, dass „alle zuständigen österreichischen Europaabgeordneten“ Einspruch gegen die Pläne der EU-Kommission einlegen würden. „Die Ablehnung der Atomkraft ist keine parteipolitische Frage, sondern war stets ein gemeinsames österreichisches Anliegen“, betonte der Vizepräsident des Europaparlaments.
Die Umweltorganisation GLOBAL 2000 sprach von einer „politischen Bankrotterklärung der EU-Kommission gegenüber einer nachhaltigen und umweltgerechten Energiepolitik“. Greenpeace schrieb von einem „Armutszeugnis für den scheinbaren Klimamusterkontinent Europa“ und wies darauf hin, dass selbst China fossiles Gas aus einer Taxonomie ausgeschlossen habe. Ähnlich äußerte sich auch die Naturschutzorganisation WWF, die nun einen „klaren Arbeitsauftrag“ für das EU-Parlament sieht und ein Veto der EU-Volksvertretung forderte.
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