Zur Thematik Franz Wurst führte die „Krone“ ein Experteninterview mit Jugendanwältin Astrid Liebhauser. Sie leitet auch die Opferschutzstelle des Landes Kärnten.
Die „Krone“: Der Kinderschänder Franz Wurst ist seit 14 Jahren tot, doch die Opferschutzstelle des Landes musste aufgrund der vielen Meldungen wieder reaktiviert werden.
Jugendanwältin Astrid Liebhauser: Ja, mittlerweile haben sich bei uns etwa 530 Menschen gemeldet, die als Kinder Opfer von Gewalt und Missbrauch auf der Heilpädagogischen Abteilung oder im Landesjugendheim Görtschach wurden. Auch in einzelnen Pflegefamilien kam es zu massiven Übergriffen.
Eine erschreckend hohe Zahl.
Finden Sie? Wenn man bedenkt, wie viele Jahrzehnte Franz Wurst in Kärnten tätig war und wie viele Kinder er in Einrichtungen oder auch in seiner Privatpraxis behandelt hat, ist das vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.
Die Frage, die bleibt: Wie konnte das passieren?
Er war in Kärnten wie ein Gott, niemand hat ihm und seinem Treiben je Einhalt geboten. Es war ein gesamtgesellschaftliches Versagen.
In dem neuen Buch wird nicht nur die Rolle der Wissenschaft, sondern auch der Politik stark kritisiert.
Das sind Erkenntnisse der Studie, ja. Die Heilpädagogik von Wurst hat das ganze Land bis in die tiefsten Ritzen durchdrungen und mit einer Decke überzogen. Nur wenige haben sich dagegen aufgelehnt - und waren chancenlos. Denn Wurst hat ja bis zur Pensionierung fast jeden ausgebildet, der in Kärnten mit Kindern und in dem Bereich arbeiten wollte. Alles und jeder ging durch seine Hände.
Es ging nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um Experimente und Rassenbiologie.
Natürlich, darauf gründete Wursts Lehre - wir wissen von Fällen, wo Kinder wochenlang schlafen mussten, nicht sprechen durften. Aus heutiger Sicht alles undenkbar, ein Wahnsinn. Das sind Bereiche, die nach wie vor nicht aufgearbeitet sind.
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