"Gesunde Vernunft"

Dänemark führt trotz Schengen Grenzkontrollen ein

Ausland
12.05.2011 07:31
In der EU-weiten Diskussion um Migrationsproblematik und Grenzsicherung stellt sich jetzt Dänemark trotzig auf die Hinterbeine. Am Mittwoch setzte die rechtspopulistische Partei DVP die Wiedereinführung von Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden durch. "Das ist einfach gesunde Vernunft", verkündete Parteichefin Pia Kjærsgaard lächelnd, als sie eine Mehrheit des Regierungslagers hinter ihre Forderungen gebracht hatte. Die EU forderte indes eine rasche Erklärung der Dänen für die geplanten Grenzkontrollen.

Laut dem Vertrag von Schengen dürfen Grenzkontrollen nur temporär wieder eingeführt werden. So können Schengen-Länder etwa im Fall von Großveranstaltungen wie Sportevents oder bei Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einen solchen Schritt setzen. In beiden Fällen muss die EU-Kommission nur davon in Kenntnis gesetzt werden. Was als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit gilt, liegt allerdings im Ermessen des betreffenden Staates.

Dänemark will zwar weiterhin Teil des Schengen-Raumes bleiben, allerdings nur mit einer gesicherten Landesgrenze, wie es aus Kopenhagen heißt. Dabei soll zwar auch am wichtigsten Übergang Padborg bei Flensburg auf altmodische Schlagbäume verzichtet werden. Andererseits soll aber mit "permanenten Kontrollen" durch Zöllner ein fast schon vergessenes Kontrollsystem allseits sichtbar und fühlbar zu neuem Leben erweckt werden. Dasselbe ist für die Fährhäfen Rödby und Gedser nach Deutschland sowie Helsingör nach Schweden geplant. Mobile Teams sollen an kleineren Übergängen sowie in Zügen kontrollieren.

"Kriminelle aus Osteuropa bremsen"
Man müsse all die Kriminellen aus Osteuropa und illegal einreisende Wirtschaftsflüchtlinge bremsen, hatte Hardlinerin Kjærsgaard in den letzten Wochen immer wieder verkündet. Sie wiederholte bei Verhandlungen mit Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen erfolgreich das Spiel, mit dem sie in den letzten zehn Jahren den Takt der dänischen Innenpolitik bestimmt hatte: Jahr um Jahr rang Kjærsgaard der Minderheitsregierung neue Verschärfungen beim Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht für Ausländer ab und gab als Gegenleistung ihr Ja zum jeweiligen Haushalt oder anderen Regierungsvorhaben.

Jetzt war es eine Pensionsreform, die mit dem in Dänemark seit zehn Jahren dominierenden Ausländerthema nichts zu tun hat. Die Regierung brauchte aber auch diesmal die Stimmen der Rechtspopulisten. Denen kam es kurz vor dem irgendwann dieses Jahr bevorstehenden Wahlkampf gerade recht, dass sie sich als Wächter gegen allzu viele unerwünschte Ausländer ins Bild setzen konnten. "Die anderen Parteien haben ja keinen Finger dafür gerührt", so Kjærsgaard über ihre Rolle bei der Wiedereinführung der Grenzkontrollen.

Dänemarks Rechtspopulisten seit 2001 am Drücker
Nach demselben Muster hat sie seit Ende 2001 unter anderem massive Verschärfungen beim Familiennachzug von Zuwanderern, die Halbierung der Sozialhilfesätze für diese Gruppe und immer neue Hürden für das Erlangen der dänischen Staatsbürgerschaft vorgeschlagen und stets weitgehend durchgesetzt. Bei drei Wahlen in Folge stand das Ausländerthema im Zentrum, dreimal konnten die DVP und ihre Partner aus dem traditionell bürgerlichen Lager recht souverän gewinnen.

Diesmal sieht es nach Umfragen so aus, als hätten die Dänen doch im Gefolge der Finanzkrise andere Sorgen im Kopf; ein Regierungswechsel gilt als durchaus möglich. Kjærsgaard aber will entweder vor oder nach der Sommerpause wieder mit ihrem wichtigsten Thema in den Wahlkampf ziehen: "Irgendjemand muss den Kampf ja aufnehmen."

Deutschland: "Rückschritt"
In Deutschland wurde die geplante Wiedereinführung der Grenzkontrollen unter anderem von der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, SSW, und von Europaabgeordneten kritisiert. Vertreter der Wirtschaft im nördlichen Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel.

Mit Blick auf die Sorge deutscher Nordsee-Urlauber auf dem Weg an die dänischen Küsten sagte Kjærsgaard: "Die meisten werden mit einem freundlichen Lächeln durchgewunken." 

EU fordert rasche Erklärung
Die EU-Kommission fordert eine rasche Erklärung aus Kopenhagen, um die Schritte der Regierung bewerten zu können. "Es muss klar sein, dass die Kommission jeglichen Versuch, den EU-Vertrag zurückzudrehen, weder akzeptieren kann noch akzeptieren will", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwochabend. Das gelte für den freien Transport von Waren ebenso wie für die Reisefreiheit von Menschen. Sobald eine Erklärung vorliegt, wolle sich die Kommission genauer zur Frage äußern, ob sie die Pläne für legal hält.

Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sprach von "reinem Populismus" und "Scheinpolitik", Schulz sagte dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel": "Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lässt sich mit Sicherheit nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen."

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