Zawahiri, der nach dem Tod von Osama bin Laden als Nummer eins in der Al-Kaida gilt, sei damals von Österreich aus nach Bulgarien gereist, um in die Türkei zu gelangen. Wien habe zuvor von Sofia verlangt, den Mann zu verhaften, die bulgarischen Behörden hätten aber den Spieß umgedreht und dasselbe von Österreich verlangt.
"Ich habe ihnen gesagt, verhaftet ihn doch in Österreich", berichtete Lambow. "Warum sollten wir ihn in Bulgarien festnehmen, um dadurch Attentate zu provozieren?" Nach jeder Festnahme eines Terroristen sei es in den betreffenden Ländern nämlich zu "drei bis vier Attentaten" durch Islamisten gekommen, sagte Lambow.
Innenministerium weiß von nichts
Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia teilte am Freitag mit, bezüglich der Behauptungen Lambows sei eine Befragung im Innenministerium und im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung "ergebnislos" verlaufen. Die Entscheidungsträger von damals seien längst in Pension. Im Ministerium heißt es außerdem, es seien keine Akten aus dieser Zeit verblieben, da man diese nach Ablauf einer bestimmten Frist vernichtet habe. Höchstens bei Interpol könne es darüber noch Unterlagen gegeben.
Bulgarien verzichtete auf Festnahme
Zawahiri soll nach Angaben des Lambows sowie des bulgarischen Ex-Polizeichefs Wladimir Manolow in den 1990er-Jahren unter falschem Namen zweimal nach Bulgarien gereist sein. Damals wurde er als Verdächtiger im Zusammenhang mit dem Mord am ägyptischen Staatschef Anwar el Sadat 1981 gesucht. Die Entscheidung, Zawahiri nicht zu verhaften, fällte laut Lambow nicht er, sondern der mittlerweile verstorbene Innenminister Ljubomir Natschew. Als Argument sei damals angeführt worden, dass Bulgarien kein Auslieferungsabkommen mit Ägypten habe.
Bei einem seiner Aufenthalte in Bulgarien soll der Terrorchef einen ganzen Monat in einem Ort im Gebirge verbracht haben. Laut Ex-Polizeichef Manolow infiltrierten die bulgarischen Geheimdienste dabei den engeren Kreis des gesuchten Islamisten und konnten Informationen von ihm abschöpfen.
Längerer Aufenthalt in Österreich?
Auch in Österreich könnte sich Zawahiri länger aufgehalten haben. Laut dem deutschen Autor Jürgen Elsässer ("Wie der Dschihad nach Europa kam") war Wien in den 1990er-Jahren eine Drehscheibe für die Finanzierung und die Waffengeschäfte von ausländischen Islamisten, die im Bosnien-Krieg mitkämpften.
Im Mittelpunkt stand damals die Wiener Zentrale der "Third World Relief Organization", die von sudanesischen Moslem-Fundamentalisten gegründet wurde, um islamistische Spendengelder aus der ganzen Welt nach Bosnien zu schicken. Auch Osama bin Laden soll damals einen bosnischen Pass erhalten und damit sogar nach Wien gereist sein.
Zweifel an Zawahiris Machtposition
Nach dem Tod Bin Ladens übernimmt Zawahiri, der bisher als der "Geschäftsführer" von Al-Kaida galt, die Nachfolge als Nummer Eins des Terrornetzwerks (siehe Infobox). In der Welt wächst die Sorge vor Vergeltungsschlägen. Doch manche Experten bezweifeln, dass sich Zawahiri in der Organisation überhaupt Gehör verschaffen kann.
Nach Einschätzung des pakistanischen Journalisten und Al-Kaida-Kenners Ahmed Rashid sei ein Machtkampf um die Al-Kaida-Führung sicher. Zawahiri sei in der Extremisten-Organisation sehr unbeliebt. Zugleich sei es gut möglich, dass sich das Operationszentrum der Gruppe von Pakistan in den Jemen oder nach Nordafrika verschiebe, wo sich in den vergangenen Jahren mächtige Ableger der Al-Kaida gegründet und mit eigenen Anschlagsplanungen einen Namen gemacht hatten.
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