Vor 25 Jahren wurde die Autobahnmaut eingeführt. Eigentlich wäre es egal, wie lange das her ist, aber irgendwie ist das Thema präsent wie lange nicht. Der damalige Stolperstart erinnert frappierend an die holprige Einführung der Covid-Impfpflicht und die Peinlichkeit rund um die Impflotterie. Schon vor einem Vierteljahrhundert war es offenbar üblich, große Themen nicht zu Ende zu denken, bevor sie umgesetzt wurden. Viel scheint sich nicht geändert zu haben.
Heute ist es ganz normal: Wer in Österreich Auto fährt, hat entweder eine Vignette auf der Windschutzscheibe oder das digitale Pendant gelöst. Heute kann sich auch jeder gegen Corona impfen lassen, der das will. Gratis. Beides hat die Impfpflicht dem „Autobahn-Pickerl“, wie es damals noch meist genannt wurde, voraus. Die Möglichkeit ebenso wie die Kostenfreiheit.
Wie eine Impfung, mit der man trotzdem krank wird
Es wurden nämlich zuerst schlichtweg zu wenig Vignetten gedruckt. Und die, die es gab, hielten nicht, was sie versprachen, nämlich nicht an der Windschutzscheibe (die digitale wurde erst 21 Jahre später eingeführt). Was die Polizei nicht daran hinderte, Autofahrer fleißig abzustrafen, die ohne unterwegs waren. Ob sie etwas dafürkonnten oder nicht. Ein bisserl wie eine Impfung, mit der man trotzdem krank wird (wenn auch wahrscheinlich nicht so heftig).
Der grüne Nationalratsabgeordnete Rudi Anschober - damals noch nicht Teil der Regierung, schon gar nicht Gesundheitsminister (mittlerweile ja Ex-, also eh auch aus dem Schneider), also am Debakel wirklich unschuldig - ging die Herstellerfirma scharf an. Bestechung stand im Raum. Wurde aber nicht nachgewiesen. Wie die digitale Vignette bereicherten auch WhatsApp-Chats erst später unseren Alltag. Zu gerne hätte man im digitalen Archiv eines berüchtigten Waffenlobbyisten gestöbert ...
Die damalige Mautgesellschaft ÖMG hatte jedenfalls dem Rat einer deutschen Beratungsfirma folgend zu wenig Pickerl bestellt, die kamen verspätet und in mieser Qualität. (Verbesserter) Nachschub war auf die Schnelle nicht zu bekommen, weil die Druckerei in Chicago (ja, dort kamen sie her) erst einmal auf Betriebsurlaub ging, nachdem sie den Klebstoff versaut hatte. 7,3 Millionen Pickerl waren gedruckt worden. Aber das reicht doch, nicht? Nein, offenbar hätte man 18 Millionen benötigt, Skiurlauber standen zunächst verärgert an den Grenzen und füllten das Staatssäckel anschließend mit teurer Ersatzmaut, wenn sie der Gendarmerie ins Netz gingen.
Rebellion der Gendarmen
Nachdem die Exekutive dann doch rebellierte, verschob man die Bestrafung bis Februar. Was wohl als eine Art Vorbild für den Umgang mit der bereits eingeführten Impfpflicht gesehen werden kann, wenn man so will.
„Wir haben die Weihnachts- und Urlaubsgäste nicht genügend berücksichtigt“, räumte ÖMG-Vertriebsleiter Reinhold Wahlhütter ein, um dann jedoch die wahren „Schuldigen“ zu orten: „Die deutschen Urlauber haben nicht rechtzeitig vorgesorgt.“ Anders sah die „beschämende Versorgungspanne“ damals der ÖAMTC: Der „enorme Streuverlust durch 7000 Verkaufsstellen im In- und Ausland“ und „grobe Fehleinschätzung“ ortete der Klub als Gründe.
Potentielle Verkaufsstellen ritterten um die Gnade, noch ein paar Vignetten-Restbestände zu bekommen, um sie verkaufen zu können. Vielleicht hätte man sie verlosen sollen, den ORF gab es damals ja auch schon. Eine groß angelegte Vignettenlotterie, vollmundig angepriesen und dann als Luftschloss geplatzt, das hätte noch gefehlt. Aber das hat die aktuelle Regierung auch ohne Vorbild hinbekommen.
Etwas frisch ins Leben Gerufenes wurde aber dennoch aufgelöst: Wirtschaftsminister Johannes Farnleitner (ÖVP) schaffte die ÖMG, die Österreichische Maut Gesellschaft, ab, die Asfinag übernahm.
Die Durchimpfungsrate ist noch immer geringer als die Durchvignettierungsrate. Trotzdem schafft sich Covid mit Omikron gerade nach und nach (hoffentlich) selber ab. Es bleibt abzuwarten, ob die Impfpflicht künftig das Schicksal mit der Autobahnvignette teilt - und uns dennoch erhalten bleibt. Zu jährlich steigenden Tarifen.
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