Nach dem Auftauchen neuer Chats ist ÖVP-Klubchef August Wöginger mit Postenschacher-Vorwürfen konfrontiert. Er soll mitgeholfen haben, 2017 einen Bürgermeister seiner Partei in den Chefsessel eines Finanzamts in Oberösterreich zu heben. In einer Stellungnahme betonte Wöginger, dass er den Mann „für einen qualifizierten Kandidaten für diese Position gehalten“ habe. Die damals unterlegene Bewerberin, Christa Scharf, sieht das ganz anders: „Fachlich hat der keine Idee.“
„Die Standardsachen waren ihm eigentlich nicht bekannt“, schilderte Scharf am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“. Erst mit der Zeit hätten dem ÖVP-Bürgermeister und Finanzbeamten die Bediensteten des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding verschiedene Sachen beigebracht, etwa was eine Arbeitnehmerveranlagung ist und was man bei einem Führungskräfte-Meeting macht.
„Man hat mich abmontiert“
Die inzwischen pensionierte Finanzbeamtin Scharf hatte dagegen das Amt schon interimistisch geleitet. „Fachlich konnte man mir nichts anhaben, aber nachdem dem so war, hat man mich abmontiert“, sagte sie gegenüber Puls 24 (siehe Video oben). Die Kommission habe ihr gesagt, dass sie sich nicht artikulieren könne und zerknüllte Papiere statt einer ordentlichen Präsentation abgegeben habe. „Wie kann man das widerlegen? Da müsste man mitfilmen“, so Scharf. Mutmaßlich nach einer Intervention Wögingers kam stattdessen der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde aus der Region des ÖVP-Abgeordneten zum Zug.
Sie hatte danach selbst Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Linz erstattet und bekam Jahre später recht - die „Krone“ berichtet. Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigte ihr schriftlich, dass sie 2017 die bestgeeignete Kandidatin für die Leitung des Finanzamts gewesen wäre. Die pensionierte Finanzbeamtin brachte mit ihrer Anzeige den Fall ins Rollen, in dem nun die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt.
„Der Bürgermeister schuldet dir was“
Dabei tauchten auch die Chats zwischen Klubchef Wöginger und Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, auf. Darin schrieb Schmid im Frühjahr 2017 an Wöginger: „Wir haben es geschafft (...) Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger fand das „echt super“, zeigte sich „total happy“ und bedankte sich bei Schmid.
In einer Stellungnahme schrieb Wöginger, dass er „zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission, die entschieden hat, genommen“ habe. Die anderen Bewerber kenne er nicht. Scharf widerspricht: „In meinen Augen war es keine unabhängige Kommission, auf keinen Fall!“ So sei ausdrücklich die regionale Personalleiterin nicht eingeladen worden, ein Kommissionsmitglied habe eine Funktion in der ÖVP Rohrbach gehabt.
Kein Einzelfall
Dass jemand mit Parteibuch oder Beziehungen vorgezogen wird, sei kein Einzelfall. Sie selbst hätten schon Kommissionsvorsitzende bei Hearings und ihr gesagt: „Kannst du dir bitte den genau anschauen, weil weißt, ich hab’s versprochen. In die Richtung, den sollen wir nehmen“, sagt Scharf gegenüber Ö1.
Die Beamtin berichtet auch, dass der ÖVP-Bürgermeister sich zunächst erfolglos auf einen Finanzamtsposten nahe seinem Heimatort beworben hatte. Zu den Standorten des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding hatte er dagegen Fahrtzeiten von bis zu eineinhalb Stunden. „Es war so, dass wir einen virtuellen Vorstand hatten, also er war ganz wenig anwesend, und dann vielleicht einmal zwischen 10 und 12, wo wir uns manchmal gefragt hatten, wie geht das? Weil Fahrzeit ist keine Dienstzeit“, erzählt Scharf.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.