Legen Insekt in Wunde

Schimpansen verarzten gezielt ihre Verletzungen

Wissenschaft
08.02.2022 09:40

Auch Affen nutzen womöglich in Tieren enthaltene Wirkstoffe: In freier Wildbahn lebende Schimpansen fangen und zerdrücken Insekten und legen sie gezielt in eigene Wunden sowie die von Gruppenmitgliedern. Diese Entdeckung machten Forscherinnen und Forscher aus Osnabrück und Leipzig beim Ozouga-Schimpansenprojekt im Nationalpark Loango in Gabun.

Das Team um Primatenforscher Tobias Deschner und die Kognitionsbiologin Simone Pika von der Universität Osnabrück beobachtet eine Gemeinschaft von rund 45 Schimpansen in dem Nationalpark. Im Vordergrund stehen die sozialen Beziehungen, Interaktionen und Streitigkeiten innerhalb der Gruppe. Auch das Jagdverhalten der Tiere, ihr Werkzeuggebrauch sowie ihre kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten werden untersucht.

Forscher dokumentierten 22 Fälle
Über 15 Monate hinweg dokumentierten die Forscher 76 Fälle, in denen Tiere offene Wunden hatten. Bei 22 davon wurde beobachtet, wie gezielt Insekten in die Wunde gelegt wurden. Die Primaten hätten dafür ein Insekt aus der Luft gefangen oder von einem Blatt genommen und es zwischen den Lippen zerdrückt, berichten die Wissenschaftler. Anschließend platzierten sie es demnach mit dem Mund oder den Fingern auf der Wunde und bewegten es mit der Fingerspitze hin und her. Danach holten sie das Insekt mit Fingern oder Mund wieder aus der Wunde. Dieser Vorgang wurde mehrfach wiederholt.

Dass bestimmte Substanzen enthaltende Insekten zur Schmerzlinderung und zum Hemmen von Entzündungen genutzt werden, sei bisher nur vom Menschen bekannt, sagte Kognitionsforscherin Pika. Klar war hingegen bereits, dass viele Tiere Pflanzenteile oder andere Dinge für medizinische Zwecke nutzen. „Unsere nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen und Bonobos, verzehren zum Beispiel bestimmte Blätter, um sich gegen Darmparasiten zu schützen.“

Tiere versorgen nicht nur die eigenen Wunden
Die Forscher staunten auch darüber, dass die Schimpansen nicht nur ihre eigenen Wunden, sondern auch die anderer Tiere aus der Gruppe mit den zerdrückten Insekten versahen. „Solche prosozialen Verhaltensweisen für Gruppenmitglieder sind bis jetzt nur sehr selten in nicht-menschlichen Tieren beobachtet worden“, sagte Pika. Ob die von den Schimpansen gefangenen Insekten tatsächlich bestimmte, etwa die Wundheilung fördernde Substanzen enthalten, ist bisher unklar. Die Forschenden wollen zur Klärung Reste der genutzten Insekten sammeln und analysieren.

„Es ist faszinierend, dass uns Schimpansen trotz jahrzehntelanger Forschung immer wieder mit neuen Verhaltensweisen und Fähigkeiten überraschen“, sagte der Direktor der Ozouga-Station, Tobias Deschner. Es gebe noch vieles über die nächsten Verwandten der Menschen zu erfahren. Ihr Schutz und der ihrer Lebensräume müsse intensiviert werden, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Current Biology“.

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