Unglaubliche 33,5 Tonnen Antibiotika wurden 2020 von Tierärzten an landwirtschaftliche Betriebe in Österreich abgegeben. Das bedeutet gegenüber 2019 einen leichten Anstieg. 25 Tonnen davon wurden allein Schweinen verabreicht, das sind knapp drei Viertel der Gesamtmenge. Dahinter folgen Rinder (6,58 Tonnen) und Geflügel (2,23 Tonnen). Für die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ ist das kein Zufall: Denn je schlechter Tiere gehalten werden, umso größere Mengen an Antibiotika werden gebraucht. Die NGO entwickelte daher einen eigenen Antibiotika-Leitfaden.
Davon betroffen sind wir freilich alle: Laut WHO könnten bis zum Jahr 2050 antimikrobielle Resistenzen für 10 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich sein, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Intensivtierhaltung, die für mehr als 70 Prozent des weltweiten Einsatzes von Antibiotika verantwortlich ist, treibt diese „stille Pandemie“ voran. „Vier Pfoten“ fordert daher im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zur Novelle der Tierhaltungsverordnung, Missstände in der Tierhaltung endlich zu beseitigen.
„Wir sehen ganz klar, wie Haltungsbedingungen und Antibiotika-Einsatz zusammenhängen: Schweine leiden unter Österreichs Nutztieren am meisten, die gesetzlichen Standards sind eine Schande. Sie haben viel zu wenig Platz, stehen überwiegend auf Vollspaltenböden, ihre Schwänze werden routinemäßig kupiert, die männlichen Ferkel ohne Betäubung kastriert. Dass es hier ein Riesen-Potenzial für Krankheiten und damit für den Einsatz von Antibiotika gibt, liegt auf der Hand“, sagt Direktorin Eva Rosenberg.
Nicht jede Gabe von Antibiotika an Tiere erzeugt resistente Keime. Aber die große Menge an antimikrobiellen Mitteln begünstigt diese Entstehung enorm. Die resistenten Keime können dann auf den Menschen übergehen. Zwar ist die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika verboten, dennoch werden sie natürlich an viele gesunde Tiere vergeben. Rosenberg: „Sobald in einem Stall Tiere krank sind, dürfen allen Tieren Antibiotika gegeben werden, auch den gesunden. Gerade in der Massentierhaltung werden also unzählige Tiere unnötig damit vollgepumpt. Diese so genannte Metaphylaxe ist völlig legal, aber natürlich extrem problematisch.“
Als Reaktion auf das große Risiko der resistenten Keime durch den hohen Antibiotika-Einsatz legte kürzlich auch die EU-Kommission fest, dass die nationalen Strategiepläne Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes von Antibiotika beinhalten sollten. Außerdem werden mit der Tierarzneimittelverordnung, die mit 28. Jänner 2022 in Kraft getreten ist, neue Beschränkungen für den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft und ein Verbot des Antibiotikaeinsatzes als Ausgleich für mangelnde Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen und Pflege oder unzureichende Betriebsführung eingeführt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.