Ermittlungen laufen

IWF-Chef nach Sexvorwurf in New York angeklagt

Ausland
15.05.2011 14:50
Der Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf eines sexuellen Übergriffs auf eine Hotelangestellte in New York festgenommen worden. Der 62-jährige Franzose wird von der New Yorker Staatsanwaltschaft wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller Belästigung angeklagt. Laut seinem Anwalt plädiert Strauss-Kahn auf "nicht schuldig".

Der Boss der "Welt-Finanzfeuerwehr" war von den US-Behörden offenbar kurz vor seiner Ausreise festgenommen worden. Strauss-Kahn habe sich nach dem Zwischenfall im Sofitel-Hotel in der Nähe des Times Square fluchtartig zum John-F.-Kennedy-Flughafen begeben und sei dort in eine Air-France-Maschine mit Ziel Paris gestiegen, heißt es. Sein Mobiltelefon und andere persönliche Dinge habe er im Hotelzimmer zurückgelassen, berichtete New Yorks Polizeisprecher Paul Browne.

Kurz bevor das Flugzeug starten sollte, sei er jedoch von Mitarbeitern der Flughafenbehörde in Gewahrsam genommen und an die New Yorker Polizei übergeben worden. 

Zimmermädchen angeblich zum Oralsex gezwungen
Ein 32-jähriges Zimmermädchen habe den Sexvorwurf erhoben, heißt es. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf die Aussage des Zimmermädchens, das sie Strauss-Kahns Suite in dem Glauben betreten habe, dass diese leer sei. Während sie im Flur arbeitete, sei der IWF-Chef nackt aus dem Badezimmer gekommen, habe sie ins Schlafzimmer aufs Bett gezogen und die Tür abgeschlossen. Das Zimmermädchen habe sich losgerissen, doch Strauss-Kahn habe sie durch den Flur ins Badezimmer gezogen und sie ein zweites Mal sexuell bedrängt. Laut dem Fernsehsender MSNBC zwang er die Frau im Badezimmer zum Oralsex und versuchte, sie zu entkleiden. 

Schließlich gelang es dem Zimmermädchen den Berichten zufolge, sich zu befreien und aus der Suite zu flüchten. Die junge Frau alarmierte andere Hotelangestellte und rief den Notruf der Polizei. Laut "Los Angeles Times" musste die Hotelangestellte wegen leichter Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden.

Strauss-Kahn plädiert laut Anwalt auf "nicht schuldig"
Der Chef des Internationalen Währungsfonds wird nach Angaben seines Anwaltes Benjamin Brafman auf "nicht schuldig" plädieren. Der 62-Jährige sollte noch am Sonntag einem Richter vorgeführt werden, da ihn die New Yorker Staatsanwaltschaft wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller Belästigung anklagt. Aufgrund von forensischen Tests verzögerte sich dieser Termin allerdings.

Bereits im Jahr 2008 war Strauss-Kahn einmal wegen einer dubiosen Affäre mit einer ehemaligen Kollegin unter Druck geraten. Eine interne Untersuchung des IWF war allerdings zu dem Schluss gekommen, dass es weder eine sexuelle Belästigung noch eine Begünstigung gegeben habe. Strauss-Kahn entschuldigte sich für den dadurch entstandenen Ärger und wies Vorwürfe des Amtsmissbrauchs zurück.

Strauss-Kahn als Präsidentschaftskandidat?
Seit dreieinhalb Jahren steht Strauss-Kahn an der Spitze des Internationalen Währungsfonds. Seither hat der 62-jährige Franzose die Institution kräftig umgekrempelt und auf die Erfordernisse der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ausgerichtet. Doch schon bei seinem Amtsantritt im November 2007 wurde spekuliert, ob er den Posten in Washington als Sprungbrett für einen neuen Versuch bei den französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr nutzen wolle. Im Falle einer Kandidatur galt er bisher als einer der aussichtsreichsten Sozialisten, um Amtsinhaber Nicolas Sarkozy herauszufordern. Umfragen gaben ihm zuletzt gute Chancen auf einen Sieg. "DSK", wie er in Frankreich auch genannt wird, hatte allerdings seine Kandidatur noch nicht angekündigt.

"Das ist eine Katastrophe für unser Land"
Die Chefin der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, erklärte allerdings bereits, Strauss-Kahn sei mit seiner Anklage "endgültig als Kandidat für das höchste Amt im Staat diskreditiert". Die Chefin der französischen Sozialisten zeigte sich dagegen erschüttert von den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn. Die Nachricht sei "ein Donnerschlag", sagte Martine Aubry. Sie mahnte, für den IWF-Chef müsse während der Ermittlungen die Unschuldsvermutung gelten. Ihre Parteifreunde rief sie zur Einigkeit auf. 

Der stellvertretende Vorsitzende von Sarkozys konservativer Partei UMP, Renaud Muselier, sprach von einem Desaster. "Das ist eine Katastrophe für unser Land und für unser Bild nach außen, denn er ist der Chef des IWF. Das mischt die Karten für die Präsidentenwahl komplett neu."

Große Erfolge in der Politik gefeiert
Strauss-Kahn stammt aus einer jüdisch-marokkanischen Familie und wurde am 25. April 1949 im schicken Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine geboren. Er machte zunächst als Jurist und Wirtschaftswissenschaftler Karriere und unterrichtete unter anderem an der französischen Elite-Verwaltungsschule ENA. 1986 wurde er zum ersten Mal ins Parlament gewählt. Elf Jahre später ernannte Präsident Jacques Chirac ihn zum Finanzminister.

Strauss-Kahn verschaffte sich international Respekt, indem er Frankreich auf die Einführung des Euro vorbereitete. Er privatisierte Staatsunternehmen und brachte das Haushaltsdefizit unter den Schwellenwert von drei Prozent. Nach Korruptionsvorwürfen trat Strauss-Kahn 1999 zurück. Ein Gericht bescheinigte ihm seine Unschuld, einige Monate später wurde er wiedergewählt.

In seiner Heimat wird Strauss-Kahn, der mit der bekannten Journalistin Anne Sinclair verheiratet ist, wegen seines luxuriösen Lebensstils immer wieder kritisiert. Der Sozialist stieg bei einem Heimatbesuch im April in einen Porsche Panamera S - ein Auftritt, der auch innerhalb seiner Partei kritisiert wurde.

Geänderter Dienstplan
Strauss-Kahn hätte sich am Sonntag in Berlin mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen sollen. Für Montag und Dienstag war seine Teilnahme an der Tagung der EU-Finanzminister in Brüssel vorgesehen.

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