Seit dem Jahr 1139 müssen Priester enthaltsam leben - keine Ehe, keine Kinder, kein Sex. Immer wieder geben Geistliche ihr Amt auf, um zu heiraten, zuletzt etwa der Kindberger Priester Andreas Mondschein. Nun wächst der Druck auf die Kirche. Wie zeitgemäß ist der Pflichtzölibat noch?
Jahrelang hat er überlegt, getüftelt, gelesen, gehadert. 1970, da ist er 37 Jahre alt, fasst der steirische Pfarrer Hans Chocholka dann seinen Entschluss – gegen das Priestertum, für seine große Liebe Anni. „Ich habe den Zölibat immer gehalten. Ich habe mich zum Priester berufen gefühlt, es war wie ein innerlicher Zwang – aber ich habe auch gespürt, dass der Zölibat meiner Natur widersprach.“
Langsam veränderte sich seine Meinung dazu, er las und überlegte viel. „Dann habe ich mich gefragt: Wieso soll ich mich noch daran halten? Nur, weil Rom es so will? Irgendwann hat das nicht mehr gereicht. Also habe ich um Dispens vom Zölibatsgesetz angesucht.“
„Die Ehe kann niemals unkeusch sein“
Bis jetzt lebt der heute 88-Jährige aus St. Stefan im Rosental mit seiner Frau zusammen. Und er setzt sich für die Initiative „Priester ohne Amt“ ein. „Ich war danach Religionslehrer, der Glaube ist mir sehr wichtig. Aber der Pflichtzölibat ist gegen jedes Menschenrecht.“ Auch die Bibel widerspreche dem Gesetz von Papst Innozenz II. aus dem 12. Jahrhundert. „Im Buch Genesis steht: Gott hat die Menschen als sein Ebenbild geschaffen. Als Mann und Frau. Die Ehe kann also niemals unkeusch sein.“
Erst vor Kurzem gab der Kindberger Pfarrer Andreas Mondschein seinen Beruf auf, um zu heiraten. Laut einer aktuellen Umfrage von „BamS“ aus Deutschland unter 1000 Katholiken sind 74 Prozent gegen den Pflichtzölibat.
Und die Priester selbst? „Ein Drittel scheitert daran, ein Drittel tut sich schwer, ein Drittel kommt gut damit zurecht – das hat unsere Umfrage unter Priestern aus dem Jahr 2000 ergeben“, sagt der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner – und relativiert: „Das ist genau das Verhältnis, das wir auch in der Ehe haben. Es gibt zwei Hochrisiko-Lebensformen: in der Ehe und ehelos.“ Was bedeutet das für die Kirche? „Dass sie nicht weniger, wohl aber andere Probleme hätte, wenn sie verheiratete Priester zulassen würde.“
Sich niemand anderem hingeben als Gott
Wieso müssen Pfarrer überhaupt enthaltsam leben? „Das kommt aus der archaischen Tradition“, erklärt Theologe Zulehner. „Wer Dienst am Altar macht, musste sich am Tag zuvor enthalten und fasten. Um das Jahr 1000 haben Mönche dann begonnen, jeden Tag Messen zu feiern – und so hat es sich von der spirituellen Dynamik her eingebürgert.“
Heute gehe es darum, sich ungeteilt „Gott und den Menschen“ zu widmen, wie Erich Linhardt, Generalvikar der Diözese Graz-Seckau, erklärt. „Es ist ein Zeichen dafür, dass Gott so wichtig ist, dass man auf Irdisches verzichtet und glaubt, dass mit ihm eine großartige Liebesbeziehung wartet.“
„Das eine geht nicht ohne das andere“
Für diese Beziehung zu Gott hat sich auch Clemens Grill entschieden. Er ist Pfarrer in Bruck an der Mur. „Als ich mich für diesen Weg entschlossen habe, habe ich ja gewusst, was die Zulassungsbedingung ist. Das eine geht ohne das andere nicht.“ Gehadert habe er damit nie, sagt Grill. „Man gewöhnt sich an vieles.“ Gemeinde, Herkunftsfamilie und Freunde tragen ihn, sagt Grill. „Natürlich kann es auch einsam sein. Aber das kann in einer Ehe auch passieren.“
Als ich mich für diesen Weg entschlossen habe, habe ich ja gewusst, was die Zulassungsbedingung ist.
Pfarrer Clemens Grill
Kann das Abrücken von der verpflichteten Enthaltsamkeit die Nachwuchsprobleme der katholischen Kirche lösen? Da gehen die Meinungen auseinander. „In der evangelischen Kirche ist der Nachwuchs ja auch nicht berauschend“, sagt Grill. Ob der Pflichtzölibat nun wirklich wackelt, wird sich zeigen – diskutiert wird er im Zuge der Synode jedenfalls. Die Entscheidung liegt, wie so oft, im Vatikan.
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