Buch-Rezension

Britney Spears: Ein Promi-Leben in Gefangenschaft

Musik
16.02.2022 06:00

Inmitten der Wirren um Britney Spears Freiheit von ihrem tyrannischen Vater Jamie und ihrem 40. Geburtstag erscheint neben einer Vielzahl an Streaming-Dokus nun auch das Buch „Being Britney“. Darin gibt es zwar wenig Neues zu erfahren, die einzigartige Geschichte einer der tragischsten Figuren in der Pop-Historie wird aber akkurat und kompakt nachgezeichnet.

(Bild: kmm)

Der 12. November 2021 wird für alle Zeiten als Feiertag für Britney-Spears-Fans und die #FreeBritney-Bewegung in die Geschichte eingehen. Fast 14 Jahre nachdem sie Anfang Februar 2008 entmündigt wurde, bekam sie mit dem Urteil eines langwierigen Gerichtsprozesses wieder ihre Freiheit zurück. „Ich bin einfach so dankbar für jeden Tag und dafür, nun in der Lage zu sein, den Schlüssel zu meinem Wagen in der Hand zu halten und unabhängig sein zu dürfen… eine Bankomatkarte zu besitzen… zum ersten Mal Geld zu sehen… Kerzen kaufen zu dürfen“, jubilierte sie bei NBC News. Die einzigartige Geschichte des größten Popstars dieses Jahrtausends ist mit all ihren Höhen und Tiefen beispiellos. Die aus Kalifornien stammende und mittlerweile in London lebende Autorin und Historikerin (!) Jennifer Otter Bickerdike hat sich zur rechten Zeit an die Recherche gemacht und zeichnet Spears‘ Leben in „Being Britney“ nun in Buchform nach.

Karriere-Raketenstart
Für Fans und Interessierte ohne großem Hintergrundwissen ist das knapp 300-seitige Werk auf jeden Fall empfehlenswert, schließlich bekommt man all die Eckpfeiler ihres Lebens kompakt subsummiert. Als sie 1998 im zarten Alter von 16 ins Rampenlicht tritt, hat sie schon zahlreiche Musical-Rollen, unzählige Tanzstunden und eine Kinderkarriere im „Mickey Mouse Club“ hinter sich. Ebenfalls mit am Start waren damals Ryan Gosling, ihre langjährige Intimfeindin und heutige Freundin Christina Aguilera und ihr mehrjähriges Gspusi Justin Timberlake. Gestählt von der Kompromisslosigkeit der Unterhaltungsindustrie begeisterte ihr im Jänner 1999 erschienenes Album „…Baby One More Time“ die Massen quer über den Globus und machte Spears zum größten Popstar ihrer Zeit. Darauf folgte eine berufliche und auch private Achterbahnfahrt, die in der popkulturellen Historie unvergleichbar ist.

Die Autorin bündelt ihre Nachzeichnungen des Spears’schen Lebens in mundgerechte Kurzkapitel, damit auch die aufmerksamkeitsschwache Generation Social Media problemlos folgen kann. Zeitsprünge sind dabei ebenso gewollt und forciert wie das thematische Hakenschlagen. Von ausufernden Tourneen und nackten Erfolgszahlen geht die Geschichte immer wieder Richtung Britneys menschlicher Fragilität und der unvorstellbaren Pein, auf und auch abseits der Bühne Freiwild für die Paparazzi zu sein. Die Scheidung von Kevin Federline mit dem Kindesentzug bekommt ebensoviel Raum wie Britneys Erfolge mit ihrem Parfum und die diversen Skandale vom kahlgeschorenen Kopf bis hin zu den Einweisungen in die Psychiatrie, die aus dem All-American-Girl in Rekordzeit eine öffentliche Persona non grata machte.

Es fehlt etwas an Tiefe
Relevant sind aber freilich die Zwischentöne der Geschichte. Auch wenn sich Britneys Leben hier sehr gut nachzeichnen lässt, gibt es keinen besonderen Newsfaktor. Auch stützt sich die Autorin auf Medienquellen, Forenmeinungen und Fan-Statements, ohne dabei in die Tiefe zu gehen und den Versuch zu starten, in die - zugegeben hermetisch abgeriegelte - echte Welt der Künstlerin zu gehen. Britney wird nicht ausschließlich zum Opfer ihres Vaters Jamie und der verhassten Familie dargestellt, auch ihre eigenen Fehltritte werden unter die Lupe genommen. „Being Britney“ ist aber mindestens genauso ein Spiegelbild der degenerierten Gesellschaft wie die Biografie der Sängerin selbst. Anhand ihres tragischen und oft unfassbaren Schicksals lässt sich die Befindlichkeit des (US) Durchschnittsbürgers gut nacherzählen.

Wie abgestumpft sind wir gegenüber Ohnmacht und Machtlosigkeit einzelner? Braucht es wirklich das dramatische Schicksal einer Weltprominenten, um auf gerichtliche und zwischenmenschliche Verfehlungen Aufmerksamkeit zu lenken? Urteilen wir nicht immer viel zu schnell? Gleichermaßen in der Erhöhung unserer Idole, wie in der Zerschlagung ebenjener? Britney Spears Vita ist in ihrer gesamten Ausformung einzigartig und hinterlässt gegen Ende hin den fahlen Beigeschmack, trotz bemühter Aufklärung noch immer nicht ganz in die Welt der heute 40-Jährigen durchgedrungen zu sein. Spears durfte niemals Mensch und frei sein. Weder als Kind, noch als Heranwachsende und noch viel weniger als Erwachsene an sich. Zeit ihres Lebens wandelte sie in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen eklig-perverser Sexualisierung und idealisierter Götzenbildung. Eine ohnehin schon ungesunde Mischung, die durch das völlige Fehlen von persönlicher Selbstständigkeit in ihrer Abartigkeit potenziert wurde.

Offene Zukunft
Besonders berührend sind jene Momente, in denen Spears bei ihrer mütterlichen Freundin Madonna Trost sucht oder sich Kolleginnen aus dem Showbusiness hinter sie stellen und mit beeindruckend emotionaler Unterstützung agieren. Sicher auch nicht einfach war der Sprung aus dem erzkonservativen Heimatort Kentwood in Louisiana zur globalen LGBTQ-Ikone, von der sie ob ihrer Aufrichtigkeit über alle Maßen geliebt wird. „Being Britney“ ist den diversen Streaming- und TV-Dokus wie „Framing Britney Spears“ oder „Controlling Britney Spears“ inhaltlich recht nahe, versucht auf relativ kurzem Raum dennoch möglichst alle Facetten des aufregenden letzten Vierteljahrhunderts zu beleuchten. Intime Details und der Newswert sollten allerdings keine Kriterien für das Lesevergnügen sein. Die wahre Spannung liegt nämlich im Unklaren: wie kommt Britney Spears ab jetzt zurecht. Wo sie das erste Mal in ihrem Leben wirklich frei ist?

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