Große „Krone“-Analyse

Was spricht jetzt für vorgezogene Wahlen?

Politik
18.02.2022 06:00

Das Neuwahlgespenst gehört fast schon zur politischen Normalität, doch in den vergangenen Tagen wurden auffallend viele Gerüchte über einen Koalitionsbruch in Umlauf gebracht. Die Sache ist nur: Weder deutet sich hinter den Kulissen eine jähe Neuwahl an, noch halten Experten dieses Szenario für halbwegs realistisch.

Wenn bei einer Regierung, die selbst laut Eigendefinition „auf dünnem Eis“ unterwegs ist, gehörig Sand im Getriebe ist, folgt mit Gewissheit eine Frage: Wann wird neugewählt? Zuletzt häuften sich die Gerüchte diesbezüglich; und zwar so sehr, dass sich selbst ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner dazu veranlasst sah, sie zurückzuweisen. Bleibt die Frage: Wie sinnvoll wäre es denn eigentlich aus Sicht von ÖVP und Grünen - und nur diese beiden entscheiden darüber -, wählen zu lassen? Ein Blick auf Argumente, die laut Experten gegen ein jähes Koalitionsende sprechen.

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Aus Sicht der Regierungsparteien gibt es dabei viel mehr Risiken als Chancen.

Politikwissenschafter Peter Filzmaier über Neuwahlen

  • ÖVP-Länder für Wahlen?
    „Ob es Neuwahlen gibt, entscheidet sich nicht in Wien, sondern eher in St. Pölten“, hört man dieser Tage hinter ÖVP-Kulissen. Doch derzeit gibt es laut Insidern kaum Anzeichen, dass die mächtigste Landes-ÖVP trotz der Gefahr weiter sinkender Umfragewerte der Bundespartei überhaupt eine Nationalratswahl vor ihrer spätestens Anfang 2023 stattfindenden Landtagswahl will. Laut Politikberater Thomas Hofer wäre dies auch enorm riskant, quasi „ein Ausflug ins Ungewisse“. Denn eine Koalitionsvariante im Bund dränge sich - auch angesichts des wahrscheinlichen Einzugs der Impfgegner MFG - nicht auf, gar drohe der ÖVP die Junior-Rolle in einer Großen Koalition oder gar die Opposition. „Jetzt hingegen ist man Kanzlerpartei, viel mehr geht da nicht“, sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier.
Peter Filzmaier, Professor für Politikwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz, analysiert für die „Krone“. (Bild: Sepp Pail)
Peter Filzmaier, Professor für Politikwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz, analysiert für die „Krone“.
  • U-Ausschuss abdrehen? 
    Es ist eines der beliebtesten Argumente für ein Koalitionsende: Die Türkisen, so heißt es, könnten damit den bevorstehenden „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“ abdrehen. Das stimmt zwar, sofern keine parlamentarische Allianz gegen die ÖVP diesen weiterführt - „aber das Thema selbst kann man nicht abdrehen“, sagt Hofer.
(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
  • Grüne verlören Spielraum
    Auch aus Sicht der Grünen spricht laut Experten wenig für einen verfrühten Urnengang: „Eine Zweiervariante ginge sich wohl nicht aus, und auf Rot-Grün-NEOS zu setzen, ist nicht nur riskant, sondern auch unwahrscheinlich“, sagt Filzmaier. Laut Hofer hätte die Ökopartei in einer Dreierkoalition zudem einen „viel kleineren Gestaltungshebel“ als jetzt mit den Mega-Ministerien für Umwelt sowie Gesundheit und Soziales.
  • Kaum Zeit für den Bruch 
    Und dann wäre da noch der Zeitplan: Will man vor Juli wählen, müsste dies im März beschlossen werden - „sehr knapp“, sagt Hofer. Eine Wahl im Herbst ist, sofern nicht am selben Tag wie die Hofburg-Wahl, zwar rechtlich möglich, aber laut Filzmaier „demokratiepolitisch heikel“. Kurzum: Neuwahlen sind für Filzmaier die „deutlich unwahrscheinlichere Variante“. Und wiewohl Dinge „emotional natürlich immer entgleisen können“, so Hofer, „spricht rational nichts dafür, es wäre fast unsinnig“.
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