Auch Kiew im Visier?
Biden: „Russland will nächste Woche angreifen“
Russland plant nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden, die Ukraine nächste Woche anzugreifen - inklusive der bevölkerungsreichen Hauptstadt Kiew. Er sei „überzeugt“, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Entschluss für einen Einmarsch in die Ukraine getroffen habe, sagte Biden am Freitag im Weißen Haus (siehe auch Video oben). Biden betonte erneut, es sei nicht zu spät, eine diplomatische Lösung in dem eskalierenden Konflikt zu finden. Er rechne aber mit einer baldigen Invasion.
„Wir haben Gründe zu glauben, dass das russische Militär plant und vorhat, die Ukraine in der kommenden Woche, in den kommenden Tagen, anzugreifen“, sagte Biden. „Wir glauben, dass sie Kiew angreifen werden, eine Stadt mit 2,8 Millionen unschuldigen Menschen.“ Die US-Regierung spreche so offen über Russlands Pläne, um Moskaus Bemühungen zu durchkreuzen, die Ukraine unter einem Vorwand anzugreifen, sagte Biden weiter. Falls Russland seine Pläne vorantreiben sollte, wäre es für einen „katastrophalen“ und selbst begonnenen Krieg verantwortlich. Russland bemühe sich unter anderem mit Falschinformationen darum, einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine vorzutäuschen.
Zehntausende Soldaten in „Angriffsposition“
Bisher hatte die US-Regierung stets betont, sie wisse nicht, ob Putin eine Entscheidung für eine Invasion der Ukraine getroffen habe. Etwa 40 bis 50 Prozent der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze befinden sich nach Darstellung eines Insiders aus dem US-Verteidigungsministerium in „Angriffsposition“. Es seien noch immer rund 150.000 russische Soldaten an der Grenze, sagt der Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Die Prozentzahl der Streitkräfte in Angriffsposition sei höher als zuvor bekannt. Das deute darauf hin, dass diese russischen Einheiten die Ukraine ohne Warnung angreifen könnten. Der Westen befürchtet seit Wochen, dass die Verlegung Zehntausender russischer Soldaten an die Grenze zur Ukraine der Vorbereitung eines Krieges dienen könnte. Russland weist das zurück.
In dieser Woche aufgenommene Satellitenbilder zeigen zudem militärische Aktivitäten in Weißrussland, auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim und im Westen Russlands. Das in den USA ansässige Unternehmen Maxar Technologies meldete die Stationierung neuer Hubschraubereinheiten an mehreren Orten im Nordwesten von Weißrussland sowie zusätzliche Bodenkampfflugzeuge, Luftabwehreinheiten und Drohnen. Die Satellitenaufnahmen zeigten zudem Panzer und Truppentransporter auf einem Flugplatz 16 Kilometer vor der ukrainischen Grenze, so Maxar.
„Widerspricht gesundem Menschenverstand“
Angesichts des russischen Militäraufmarsches würde eine Provokation seitens der Ukraine nach Ansicht von Biden „dem gesunden Menschenverstand widersprechen“. Moskau bemühe sich, die Ukraine als Aggressor darzustellen, und setze dabei gezielt Falschinformationen wie eine angeblich geplante Offensive in der östlichen Donbass-Region ein. „Es gibt für diese Behauptungen keine Beweise und es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, zu glauben, dass die Ukrainer diesen Zeitpunkt, an dem mehr als 150.000 Truppen an der Grenze stehen, wählen würden, um einen jahrelangen Konflikt zu eskalieren“, sagte Biden. Das ukrainische Militär habe bisher mit gutem Einschätzungsvermögen und auch „Zurückhaltung“ agiert. „Sie verweigern es den Russen, sie in einen Krieg zu ziehen“, sagte Biden. Es sei eine Tatsache, dass die russischen Truppen die Ukraine „umzingelt“ hätten. Russland habe im Osten der Ukraine Soldaten in Grenznähe in Stellung gebracht, genauso im nördlichen Weißrussland und im Süden im Schwarzen Meer.
Der Regierung in Moskau ist es in der Ukraine-Krise nach Überzeugung von Biden nicht gelungen, den Westen zu spalten. „Trotz der Bemühungen Russlands, uns im In- und Ausland zu spalten, kann ich bestätigen, dass dies nicht geschehen ist“, sagte der US-Präsident. Er habe am Freitag mit US-Kongressabgeordneten bei der Sicherheitskonferenz in München und mit westlichen Staats- und Regierungschefs telefoniert. Die „überwältigende Botschaft“ beider Gespräche sei die der Einigkeit und der Entschlossenheit gewesen.
„Blutvergießen vermeiden“
Auch Frankreich ist sich mit den westlichen Verbündeten einig in dem Bestreben, Russland von einer möglichen Invasion der Ukraine abzuhalten. Das teilte das Präsidialamt nach einem Gespräch von Staatschef Emmanuel Macron mit Biden, dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und weiteren Spitzenpolitikern mit. Eine solche Invasion würde die geopolitische Lage in Europa verändern. Der britische Premierminister Boris Johnson erklärte nach den virtuellen Beratungen: „Es besteht noch immer die Möglichkeit, unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Aber das wird eine überwältigende Demonstration westlicher Solidarität erfordern, die alles übertrifft, was wir in der jüngeren Geschichte gesehen haben.“ Nach ihrem Telefonat forderten die westliche Staats- und Regierungschefs Russland auf, „ein dringend notwendiges Signal der Deeskalation zu geben“.
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