Wenn in Beschleunigern Teilchen mit hoher Energie aufeinanderprallen, entstehen unzählige Zerfallsprodukte und bei deren Registrierung riesige Datenmengen. Deren Analyse ist komplex und zeitaufwändig. Daher lassen Physiker der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun Künstliche Intelligenz (KI) nach neuen, bisher unbekannten Teilchen suchen, berichten sie im Fachjournal „European Physical Journal C“.
An den riesigen Forschungsmaschinen wie dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf oder dem Super-KEKB in Japan werden Teilchen wie Protonen oder Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zum Zusammenstoß gebracht. Bei diesen energiereichen Kollision werden Zustände wie unmittelbar nach dem Urknall erreicht und Detektoren registrieren die dabei entstehenden Zerfallsprodukte und Partikel.
Am LHC gibt es etwa Hunderte Millionen Proton-Proton-Kollisionen pro Sekunde und von den entstehenden Zerfallsprodukten werden in den Detektoren etwa Flugrichtung, Impuls und Energie gemessen. Dabei entstehen bis zu ein Petabyte (eine Million Gigabyte) Daten pro Sekunde.
Auch wenn sogenannte Trigger-Systeme als Filter nur die für die Wissenschaftler interessanten Daten durchlassen, ist deren Analyse zeit- und ressourcenaufwändig. Gianluca Inguglia vom Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der ÖAW hat im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten „Starting Grant“-Projekts nun ein neues Werkzeug entwickelt, das diesen Prozess durch den Einsatz von maschinellem Lernen deutlich beschleunigt.
„Punzi-Net“ filtert relevante Signale heraus
Es handelt sich dabei um ein „Punzi-Net“ genanntes Neuronales Netzwerk, das in einem ersten Schritt lernt, wie ein mögliches Signal für ein bestimmten Teilchen aussehen könnte und wie es dieses vom Hintergrundrauschen der Detektoren unterscheidet. Zur weiteren Optimierung lernt das Netzwerk ein vom italienischen Physiker Giovanni Punzi entwickeltes Qualitätskriterium möglichst gut zu erfüllen, das Aussagen über die Güte eines Signals trifft.
So lernt das Punzi-Net, „verschiedene mögliche Massen eines Teilchens auf einmal zu prüfen, sogar solche, die nicht in den Trainingsdaten enthalten waren“, erklärte Inguglia in einer Aussendung. Vor allem, wenn die Masse eines Teilchens nicht genau bekannt ist, könne so die Suche enorm beschleunigt werden. Das macht das neue Werkzeug zum Beispiel für die Suche nach der rätselhaften Dunklen Materie interessant.
Methode wird mit realen Daten getestet
Derzeit sind die Forscher dabei, ihre Methode erstmals auf echte Daten aus dem Elektronen-Positronen-Beschleuniger Super-KEKB in Japan anzuwenden, um im Rahmen des „Belle II“-Experiments nach dem hypothetischen Z‘-Boson zu suchen, das mit Dunkler Materie wechselwirken könnte. Die Forscher vom HEPHY arbeiten seit 2001 mit den japanischen Kollegen zusammen und haben den innersten Detektorteil von „Belle II“ entwickelt und gebaut.
Weil die Methode sehr anpassbar ist und prinzipiell für die Suche nach jedem Teilchen einsetzbar ist, für das ein Modell zum Training der Neuronalen Netze erstellt werden kann, erwartet Inguglia einen breiten Einsatz des Werkzeugs.
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