Er gilt als Brückenbauer zwischen Klassik und Pop, prägte den Austropop seit seinen frühesten Tagen, fusionierte die Berliner Philharmoniker mit den Hard-Rockern Scorpions, brachte Drum & Bass ins Wiener Konzerthaus und erfüllte sich den Traum von einer eigenen Kinderoper. Der gebürtige Rechnitzer Christian Kolonovits, Doyen der heimischen Musikwelt, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Ein Gespräch über ein Leben, das aus angenommenen Chancen und Möglichkeiten besteht.
„Krone“: Christian, kann man einen runden Geburtstag wie deinen 70er überhaupt feiern, wenn man beruflich derart rastlos ist?
Christian Kolonovits: Eigentlich will ich ja gar nicht feiern. Ich feiere gerne unterm Jahr eine super Party, wenn die Arbeit gut war, aber es muss nicht zwingend mein Geburtstag sein. Ich freue mich, wenn jemand meine Arbeit respektiert und noch mehr freue ich mich, wenn mich jemand als Mensch mag. Das reicht mir.
Bist du nun beschäftigter als je zuvor?
Ich habe ja nie aufgehört oder pausiert. Es war immer sehr viel zu tun. Nach der ersten Phase des großen Austropop, der für mich Ende der 80er-Jahre beendet war, kamen andere Projekte des Weges. Willst du nicht im Theater dirigieren? Wie wäre es mit Filmmusik? Dann kamen die 2000er und die symphonische Musik mit den Scorpions. Das Leben beschert mir gewisse Arbeiten, sie kommen zu mir. Es war nie so, dass ich unbedingt etwas nachgejagt habe. Wenn man die Ruhe im Leben bewahrt, dann kommt alles auf einen zu. Ich glaube esoterisch gesehen an diese gute Abwechslung von Arbeit und Kreativität. Keine Angst zu haben gehört zu den wichtigsten Grundlagen meines Lebens. Dann werden einem Jobs und Ideen zugetragen.
Bist du ein Mensch, der in erster Linie einfach ja sagt und in all das eintaucht, was einem im Leben so entgegenfliegt?
Ich stelle mich gerne den Herausforderungen. Was ich mache, muss auch meiner Psyche und meinem Leben guttun. Habe ich dieses Gefühl nicht, dann mache ich es gar nicht. Und manchmal kam ich auch erst im Nachhinein drauf, dass ich so manches vielleicht nicht machen hätte sollen. Wenn ich einem Künstler meine optimalste Arbeit schenke, dann muss es auch meiner eigenen Entwicklung guttun. Das ist der Grund, warum ich vor nichts Angst habe. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann zu 100 Prozent. Dann lasse ich mich ohne Kompromisse auf Menschen ein. Ich will auf Menschen und Kollegen mit ganzer Liebe zugehen. Kreative Zusammenkünfte sind wie temporäre Liebesverhältnisse. Sie enden zwar mit dem Projekt, aber es bleibt was. Eine Freundschaft oder ein Kontakt.
Ein Ambros ist kein Gabalier, ein Steinbäcker kein Fendrich, die Scorpions nicht Ludwig Hirsch. Trotz allem hast du mit all diesen schillernden Künstlern gearbeitet. Kannst du wirklich mit jedem?
Ich habe einen ziemlich großen Toleranzpegel. Die Ticks und Macken der anderen interessieren mich besonders. Sie machen die Vielfalt der Kunst aus. Jeder ist ein bisschen anders und man muss nicht immer alles verstehen, aber ich lasse mich gerne auf den anderen ein. Ich lasse mich aber auch nicht verarschen, sondern fordere genauso meine Wahrheiten in der Kooperation ein. Ich freue mich, dass die Menschen, mit denen ich arbeite, so grundverschieden sind. Wären sie alle gleich, würde es furchtbar fad sein.
Gibt es dennoch Menschen, bei denen du eine Zusammenarbeit aus persönlichen oder vielleicht sogar politischen Gründen abgelehnt hast?
Das kam immer wieder vor. Ich sage dann meist, dass ich keine Zeit hätte und das ist eigentlich eh nie gelogen. Mit manchen Künstlern kann ich nichts anfangen. Ich muss mich musikalisch in das Gegenüber einfühlen können, das ist das Wichtigste. Meine größte Kunst. Das wollen ja auch diejenigen, für die ich schreibe und produziere. Wenn ich den Charakter nicht fassen kann, dann lasse ich es lieber bleiben. Es geht immer ums Öffnen. Wenn man sich anderen öffnet, muss das auch zurückkommen.
Du bist eigentlich das absolute Gegenbeispiel für die heute immer populärer werdenden „Cancel Culture“. Ausgrenzung ist dir fremd.
Es ist mir viel zu blöd, mich mit etwas nicht auseinanderzusetzen. Das fände ich einseitig bis faschistoid. Zu behaupten, ich hätte einfach Recht, wäre furchtbar. Man muss die Meinung des anderen zulassen und dann abstecken, ob es sich für eine Zusammenarbeit ausgeht oder nicht. Ich weiß nie, wie es geht. Jedes Projekt und jedes musikalische Verhältnis beginnt bei null. Ich kann vielleicht handwerklich viel, aber das bedeutet nichts. Wenn jemand perfekt Gitarrespielen kann, ist das schön, aber ohne eigene Identität wird nichts Besonderes daraus entstehen.
Du bist in der burgenländischen 3.000-Seelen-Gemeinde Rechnitz geboren und aufgewachsen, hast väterlicherseits kroatische und mütterlicherseits ungarische Wurzeln. Wie sehr hat das alles zu deinem offenen Toleranzverständnis geführt?
Extrem wichtig. Ich bin als Kind zwischen den kroatischen Dörfern meines Vaters und der ungarischen meiner Mutter gependelt. In der kommunistischen Ära habe ich viel Zeit in Köszeg verbracht. Dort wurde gesungen, getanzt und es wurden Partys gefeiert. Mich hat dieser Umgang mit dem Leben unheimlich imponiert. Dann ging es wieder ins deutschsprachige Rechnitz und weiter nach Schachendorf, wo eine andere Art von Offenheit herrschte. Vor allem hat mich das früh gelehrt, dass es keinen Unterschied zwischen ernster Musik und Unterhaltungsmusik gibt. Für mich war das nie ein Thema. Musik ist für mich in höchstem Maße unterhaltend. Von Vogerltanz bis Béla Bartók habe ich in meiner Kindheit alles am Klavier gespielt. Das war für mich der Durchbruch zum Verstehen, was Musik überhaupt ist und sein kann. Die Kunstform der Musik ist wie Zauberei.
Hast du als erster Mensch in Österreich die vorherrschenden Dogmen und ungeschriebenen Trennungsgesetze zwischen ernster und Unterhaltungsmusik aufgebrochen?
Ich habe es zumindest versucht. Vor allem in den späten 80ern, wo ich mit „VSOP - Vienna Symphonic Orchestra Project“ und den Wiener Symphonikern Pop mit Klassik mischte, ging da ein Ruck durch. Ich wollte das einfach probieren und kam erst im Nachhinein drauf, wie kritisch das beäugt wurde. Für manche Menschen war es überhaupt nicht möglich, aber für andere eine Offenbarung. Pop- und Rockfans haben sich teilweise das erste Mal mit einem Orchester auseinandergesetzt und die Hochkultur bekam einen Geschmack für die Kompositionen im Pop. Es war ein Mehrwert für alle Parteien und hat sich bei mir weiterentwickelt zu den Arbeiten mit Carreras, Pavarotti und Co. Das ging dann weiter bis zur Arbeit mit den Scorpions und den Berliner Philharmonikern im Jahr 2000. Anfangs war das nicht mal anzudenken. Der Vorstand der Philharmoniker drohte wegen der Kooperation mit Rücktritt. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder flog extra nach Berlin, um eine Rede zu halten und hatte mit einem neuen Vorstand gedroht. Es kamen dann junge Leute in den Vorstand und so ging es. Sie wollten nur nicht, dass alles zu einem Begleitorchester mutiert, sondern die Musiker gefordert werden würden. Das habe ich ihnen versprochen und daraus entstand ein wirklich tolles Projekt. Sie haben sich dann dafür bedankt, dass sie auch viel dazugelernt hatten.
Du bist im besten Sinne ein Brückenbauer. War es dir immer besonders wichtig, gegenseitige Toleranz und Verständnis für einander zu entfachen?
Selbstverständlich. Probieren wir die Dinge doch einfach. Wir sehen dann eh, ob es fruchtet oder nicht. Gerade in den 90ern war die Nachfrage nach diesen Kooperationen groß. Künstler wussten, dass sie einen guten Titel haben und hätten ihn gerne im orchestralen Rahmen überhöht. In unserer Musikkultur ist das auch möglich. Wir sind super in der Klassik, beim Orchester, aber auch im Pop- und Elektronikbereich. Das hat mich zum Beispiel auch an der „Red Bull Symphonic“ mit Camo & Krooked so gereizt. Man muss die Dinge einfach ausprobieren.
Kommen wir zu deinem Pop-Beginn zurück. 1972 hast du bei den Milestones Klavier gespielt, zwei Jahre später folgte der Hit „Hollywood“ von dir mit Waterloo & Robinson. Hat diese Phase deine Karriere nachhaltig geprägt?
Durch Peter Müller durfte ich bei den Milestones einsteigen und ich war nebenbei schon am Weg, Orchester zu schreiben. Auf dem Album „Emigration“ gab es den Song „Das Märchen von der Sonne“, der war 19 Minuten lang und ging in die Richtung, die ich mochte. Eine ganze Vinyl-Seite und natürlich hat sich das nicht gut verkauft. Die Leute haben das noch nicht verstanden. Ich durfte schon früh im Folk-/Pop-Bereich arbeiten. Man hat mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht und so ging es schon in den 70er-Jahren ziemlich gut voran. Damals stellte sich die Frage, wohin man stilistisch wollte, gar nicht. Wir waren alle Erfinder und haben bei allem neu begonnen. Wir hatten natürlich US-Vorbilder wie Bob Dylan, Pete Seeger oder Crosby, Stills, Nash & Young. Auch die Briten wie Led Zeppelin und alle anderen imponierten uns, aber wir durften diese Einflüsse neu entwerfen. In den 70ern gingen wir in ein Studio und hatten kein Konzept. Jeder konnte ein bisschen was, man setzte sich zusammen und so entstanden die Songs. Das war die Blütezeit und der Anfang des Austropop. Deshalb war er auch so bunt. Cornelius, Ambros, Hirsch und Co. klangen alle total anders. Niemand war dem anderen was neidig, jeder hat bei jedem reingeschnüffelt und sein eigenes Gewürz dazugegeben.
Und du warst im Endeffekt der Kitt, weil du mit so gut wie allen gearbeitet und die komplette Szene früh mitgeprägt hast?
Der eigentliche Kitt war natürlich Produzent Peter Müller. Er hat mit „Da Hofa“ den ersten großen Austropop-Hit produziert, ich kam erst später dazu. Er ließ mir am Klavier freie Hand und wollte, dass ich Orchester schreibe. Die meisten der Musiker konnten keine Noten lesen. Ich war anfangs der einzige mit einer musikalischen Ausbildung, aber das hat mir total gefallen. Mir hat unheimlich imponiert, wie diese Autodidakten die größten Hits ohne Noten geschrieben haben. Ich habe immer gesagt, sie sollen froh sein. Ich habe sie dafür beneidet, dass sie nicht zu verkopft waren und einfach nur die Strömungen der Gegenwart übernahmen und damit Erfolg hatten. Diese Freiheit war mir durch die Ausbildung nicht gegeben.
Wie dekadent oder ausschweifend war diese erste große Ära des Austropop? Wie hast du diese Zeit ganz allgemein in Erinnerung?
Es war unglaublich dekadent. Wir waren alle Nachkriegskinder. Unsere Eltern waren durch die Bank konservativ. Wir sind ihnen bis heute dankbar, dass sie das Land wieder aufgebaut haben, aber gleichzeitig waren wir Kinder dadurch völlig verwahrlost. Wir waren komplett frei, weil die Eltern nur Geld verdienen und Österreich aufbauen wollten. Die 60er-Revolution und die Hippie-Zeit entstanden ja aus diesem Gedanken des Neubeginns. Vollkommen neue Ideen hatten Platz, der Umweltschutz gewann an Wert und alle haben sich gegen die ältere Generation aufgelehnt. Was kostet die Welt? Lasst uns in Ruhe. Wir waren uns sowieso sicher, dass wir mit 40 sterben, denn „only the good die young“. Wir forderten das Recht ein, etwas Neues zu machen. Ein Wolfgang Ambros war damals so unglaublich arrogant, aber dafür muss man ihm noch heute dankbar sein. Er hatte seine komplett eigene Meinung und ließ sich auf seinem Weg nicht beirren - gottseidank! Er war kein Teil dieser Gesellschaft, er war etwas Neues und hat das auch stolz nach außen getragen.
Am 3. Juli wird es vor dem Schloss Schönbrunn die „Fendrich Symphonie“ mit Rainhard Fendrich geben. Mit ihm hast du in den 80ern extrem eng zusammengearbeitet, du warst an so gut wie allen Riesenhits beteiligt. War diese Beziehung noch spezieller als alle anderen, die du kreativ hattest?
Ich lebte davor in Frankfurt und Ambros kam oft zu mir. „Schifoan“ oder „Es lebe der Zentralfriedhof“ wurden dort eingespielt, mit deutschen Musikern. Anfang der 80er-Jahre entscheid ich mich dazu, wieder nach Wien zurückzukommen. Da traf ich wieder den Wolfgang und der sagte mir, da gäbe es einen Jungen namens Fendrich, der liebt seine Platte „Hoffnungslos“ so sehr und möchte unbedingt mit mir arbeiten. Ich fuhr dann zu einem Konzert von Fendrich nach St. Pölten und traf ihn hinter der Bühne. Wir haben uns gleich gut verstanden und angefangen, miteinander zu arbeiten. Das endete in sieben Alben am Stück. Wir haben gearbeitet wie die Verrückten. Alben wie „Kein schöner Land“ oder „Voller Mond“ waren großartige Produktionen. Für „Kein schöner Land“ waren wir in einer Villa in Rhodos und haben das Album dort vorbereitet. Ich habe jeden einzelnen Schlagzeugschlag notiert. Deshalb klingt das Album auch so streng. Aber das haben wir uns bewusst geleistet, das Album sollte in einem strengen Korsett sein. „Voller Mond“ war dafür komplett improvisiert. Jedes Album hatte seine eigene Identität und produzierte seinen Hit. Das war ein unglaublicher Lauf. Gleichzeitig habe ich mit Ludwig Hirsch oder Maria Bill geschrieben und alles schlug ein. Auch die Kooperation mit Stefanie Werger. In den 80ern gab es keinen Tag, an dem ich nicht im Studio gearbeitet hätte. Manchmal habe ich unter dem Klavier geschlafen, damit ich gleich wieder loslegen könnte.
Schließt sich für dich nun ein persönlicher Kreis, wenn du mit Fendrich symphonisch vor dem Schloss Schönbrunn konzertierst?
Wir haben uns mit großer Freude im November bei seinem Wien-Konzert getroffen. In der Aftershowparty hat sich unsere ganze gemeinsame Vergangenheit abgespielt. Wir hatten uns so viel zu erzählen, wir haben sogar über jedes Lied gesprochen. Im Grunde ist das Konzert ist so etwas wie eine Reunion oder ein Zusammenkommen auf einer höheren Ebene. Jeder von uns hat in den letzten Jahrzehnten unheimlich viel gemacht und genau verfolgt, was der andere so gemacht hat.
Man muss dabei wohl aufpassen, dass dieses Konzert in diesem edlen Rahmen nicht zu nostalgisch wird…
Das werden wir zu verhindern versuchen. Wir haben schon am Programm gearbeitet, aber natürlich werden alle großen Hits abgespult. Es wird aber auch sehr viel vom neuen Fendrich-Programm geben, das orchestral überhaupt noch nie bearbeitet wurde. Die Show wird sehr bunt und soll das gesamte Spektrum Rainhards abdecken. Wir zeigen einfach die Größe seines Werks.
Du hast vorher deine Lebensphase in Frankfurt angesprochen. Es hätte auch New York, London oder Paris werden können. Warum bist du denn Anfang der 80er-Jahre nach Wien zurückgekehrt?
1976 ging ich nach Frankfurt. Ich war Studiomusiker und gründete die Band Einstein. Wir gingen nach Amerika und produzierten in Los Angeles eine Platte. Ich habe dann gemerkt, dass überall mit dem gleichen Wasser gewaschen wird. Es ist vollkommen egal, wo man ist. Ich habe auch in Nashville gearbeitet und war in New York. In L.A. war es mir zu fad. Wir hatten damals mit Einstein eine wunderschöne Villa am Mulholland Drive mit einem eigenen japanischen Koch, aber das war mir völlig egal. Das war meine kurze Karriere als Rockstar, die brauchte ich nicht, also ging ich nach Frankfurt zurück. 1980 wäre ich fast in New York gelandet, aber da war eine zugesagte Wohnung bereits vergeben. Also ging ich nach Wien. In L.A. hätte ich sicher nie eine Oper geschrieben, sondern nur Arrangements, wie gerade eben für Barry Gibb und Frank Farian. Dafür muss ich aber nicht in Florida leben, das geht heute auch über Telefon oder via Mail. Frank Farian wollte damals, dass ich das ganze Boney-M.-Programm in den Londoner Abbey-Road-Studios mit Orchester aufnehme. Aber um international aufzufallen musste ich nicht aus Wien raus. Wenn du die richtige Message hast, dann kannst du sie von überall ausdrücken. Du kannst deine Musik weltweit vertreiben, egal wo du sitzt. Heute noch mehr denn je.
2009 hast du die Kinderpop-Oper „Antonia und der Reißteufel“ kreiert. Eine Mischung aus Musical, Klassik und Pop, die aktuell wieder in der Wiener Volksoper aufgeführt wird. Zählt dieses Projekt für dich persönlich zu den wichtigsten in deiner Karriere?
Wenn man eine Oper schreibt, dann sitzt man ja nicht einen Monat, sondern gut zwei Jahre daran. Das war bei „El Juez“ oder bei „Vivaldi - Die fünfte Jahreszeit“ auch so und wenn man sich so lange mit nur einem Kind beschäftigt, dann wächst einem das natürlich besonders ans Herz. Man atmet mit einem viel längeren Atem. Ich gehe in die Volksoper und freue mich total auf die nächste Vorstellung. Ich entdecke in diesen zwei Stunden immer etwas Neues. Es spiegelt ja auch immer ein bisschen die Zeit wider, in der man das Stück aufführt. Ich bin extrem froh, dass ich in dieses Genre eingetreten bin, auch wenn ich es anfangs nicht unbedingt wollte. Bei mir setzte aber schon in den 90er-Jahren das Theaterfieber ein. Ich habe viel Bühnenmusik beigesteuert und kam da auf den Geschmack. Eine zweistündige Oper hat einfach einen anderen Wert als eine Platte, die eine knappe Stunde dauert. Es ist einfach ein großer musikalischer Rundumschlag.
„Antonia und der Reißteufel“ ist auch ein gutes Beispiel für Zeitlosigkeit. Nicht jede Oper wird zwölf Jahre nach ihrer Premiere einfach so wiederaufgenommen.
Genau, das freut mich natürlich wahnsinnig. Es gab bis 2014 schon ein paar Wiederaufnahmen, aber jetzt eben länger nicht mehr. Auch die Orchestermusiker sagen mir immer wieder, dass es eine klassische Oper wäre, die hoffentlich auch noch in vielen Jahren gespielt wird.
Zeit deines Lebens warst du ein Teamplayer. Wie wichtig sind denn trotz allem Begriffe wie Egozentrik oder Eitelkeit in dieser Branche?
Beim Arbeiten muss man mit seinem Ego wahnsinnig vorsichtig sein. Die Künstler dürfen etwas mehr haben als ich. Das habe ich in der Meditation gelernt. Ein Ego erzeugt fast immer Missverständnisse, man hört einem nicht mehr zu, wenn man zu viel davon einsetzt. Man muss dem kreativen Partner zumindest die Fähigkeit geben, sein Ego auszuspielen. Als Produzent, Komponist oder Arrangeur muss man das eigene Ego zurücknehmen. Man darf sich nicht die Köpfe einschlagen, bevor etwas entsteht. Dadurch ist man auch ein bisschen ausgeschlafener als die anderen und hat mehr Überblick. Du darfst dich selbst nie über das Werk stellen.
Gibt es einen besonderen Ratschlag, den du deinem 16-jährigen Selbst mit dem Wissen und der Erfahrung von heute mitgeben würdest?
Der wichtigste Ratschlag ist: lerne dich selbst kennen. Das ist schwer genug, weil einem durch das Elternhaus unglaublich viel an Eigenständigkeit genommen wird. Man hat so viele Vorbilder, die eine eigene Entwicklung ganz automatisch bremsen. Jeder darf mit dem Schädel gegen die Wand rennen und jeder muss sich selbst finden. Erkenne dich so früh wie möglich selbst, dann steht dir die Welt offen. Das kann aber oft sehr lange dauern und ist keine Selbstverständlichkeit.
Bereust du etwas aus deiner langen Karriere?
Nein. Ich habe aufgehört, so zu denken. Auch wenn so manches nicht perfekt oder gut genug war, hat es mich dorthin geführt, wo ich heute bin. Fehler sind unheimlich wichtig. Sie sind das Gegenteil von Perfektion und man darf im Leben alles sein, nur nicht perfekt. Denn dann dürftest du auf diesem Planeten nicht leben. Es geht ja darum, dass wir uns immer entwickeln. Man kann perfektionistische Anflüge haben, aber es ist nicht das Wichtigste.
Gibt es ein bestimmtes Projekt, das du noch unbedingt umsetzen möchtest? Einen Künstler, mit dem du gerne noch arbeiten würdest?
Nein. Ich hatte ja nie die Erwartung mit diesem oder jenen zu arbeiten. Jeder nächste Tag in meinem Leben soll interessant sein. Er soll sich nicht aus Träumen oder Wunschvorstellungen, sondern aus sich heraus ergeben. Mein Leben hat mir gezeigt, dass sich all das, was sich Tag für Tag entwickelt hat, genug war. Es ist alles genau so gekommen, wie ich es wollte.
Live in Wien
Am 3. Juli findet vor dem Schloss Schönbrunn in Wien die „Fendrich Symphonie“ statt, wo Superstar Rainhard Fendrich seine größten Hits und auch neue Nummern in das klassisch orchestrierte Gewand von Christian Kolonovits bettet. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und alle weiteren Infos zum musikalischen Sommerhighlight.
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