Der Grazer Universitätsprofessor Stefan Karner ist ein ausgewiesener Russland-Experte. Für die „Krone“ analysiert er Putins Beweggründe für die Invasion und appelliert an die Hilfsbereitschaft der Steirer.
„Krone“: Was will Putin?
Stefan Karner: Putin verfolgt offenbar eine seit Jahren in politischen Schriften kursierende Idee: die slawischen Gebiete des postsowjetischen Raumes („prostranstvo“) stärker an Russland zu binden. Dieser Raum umfasst vor allem die Ukraine und Weißrussland. Beide Staaten waren 1922 mit Russland und der Transkaukasus-Republik Gründungsstaaten der Sowjetunion und hatten nach 1945 auch Sitz und Stimme in der UNO.
Wie weit wird er gehen, müssen die baltischen Staaten zittern?
Das glaube ich nicht, allerdings gehören zu den Rändern des „russischen prostranstvo“ auch angrenzende Gebiete der Moldau und Georgien, wo es große russische Minderheiten gibt. In keinem Fall können derartige Ideen als Begründung für einen Krieg dienen, der scharf zu verurteilen ist.
Kommt jetzt ein neuer Kalter Krieg?
Der ist schon da. Wir waren voller Hoffnung, dass eine derartige Entwicklung in diesem Raum nicht mehr möglich sein wird. Wenn ich heute die Einschläge in Kiew oder Lemberg sehe, in schöne Städte, die uns Österreichern aus historischer Sicht sehr nahe sind, wo berühmte Schriftsteller lebten, bin ich entsetzt und traurig.
Schürt der Einmarsch die steirischen Urängste vor den Russen?
Ja, leider auch das. Was über viele Jahre aufgebaut wurde an Verständnis für russische Kultur und Geschichte, ist nun schwer erschüttert. Alte Stereotype, die wir für überwunden glaubten, kommen hoch. Steirische Apfelbauern, Dienstleister, Firmen, aber auch Wissenschafter und Kulturinitiativen haben über viele Jahre wichtige Beziehungen aufgebaut, die nun zu zerbrechen drohen.
Was über viele Jahre aufgebaut wurde an Verständnis für russische Kultur und Geschichte, ist nun schwer erschüttert.
Stefan Karner
Was können die Steirer in dieser Situation tun?
Es wird vermutlich viele Flüchtlinge aus der Ukraine geben. Wir müssen humanitär handeln und Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Die Ukrainer sind Teil der europäischen Kultur, es sind fleißige und vielfach gut ausgebildete Menschen, von denen man nur hoffen kann, dass sie zu uns kommen. Über Jahre haben die Steirer ein großes Herz bewiesen: Wenn wir an die Balkankriege denken, hat kein anderes Bundesland so viele Flüchtlinge aufgenommen wie die Steiermark.
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