Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Österreich als Verhandlungsort im Krieg zwischen der Ukraine und Russland angeboten. „Wir bieten uns an, aber wir biedern uns nicht an“, sagte er am Sonntagvormittag in der ORF-„Pressestunde“. Voraussetzung dafür sei allerdings ein Waffenstillstand, wozu die russische Seite derzeit „überhaupt nicht willens“ sei.
Nehammer betonte zudem die Solidarität mit den Nachbarländern der Ukraine bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation. Das Innenministerium stehe im Kontakt mit Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien und sei bereit, Flüchtlinge zu übernehmen, sollte es zu Versorgungsengpässen kommen. „Wir bereiten uns vor, Quartiere sicherzustellen.“ Bei der Ukraine „handelt es sich um einen Nachbarstaat“, erklärte der Kanzler. „In der Nachbarschaftshilfe war Österreich in der Geschichte immer wieder vorbildlich.“
„Ja, wir haben nicht alles richtig gemacht“
Das, was in der Ukraine gerade passiere, sei von vielen als unvorstellbar erachtet worden. „Wir haben seit 1945 keinen Krieg in Europa, wo ein Land ein anderes überfällt“, betonte Nehammer. Auf die Frage, ob Österreich in der Vergangenheit zu russlandfreundlich war, antwortete der Kanzler: „Ja, wir haben nicht alles richtig gemacht. Ja, es gab mit Sicherheit auch Fehleinschätzungen.“ Aber alle Beteiligten hätten mit bestem Wissen und Gewissen agiert.
Eine Fehleinschätzung sei gewesen, den russischen Präsidenten als berechenbaren Verhandlungspartner zu sehen, was er früher jedoch auch war. Die „Putinversteher“ hätten darauf hingewiesen, dass russische Sicherheitsinteressen zu wenig bedacht worden seien. Doch dies „kann niemals Vorwand für Krieg sein“, sagte Nehammer und betonte: „Putin will offenbar die Sowjetunion wiedererrichten.“
Dem Vorschlag einer europäischen Armee erteilte der Bundeskanzler eine Absage. Eine solche „sehe ich derzeit nicht“, sie würde eine Weiterentwicklung der EU und einen demokratischen Prozess bedürfen. Allerdings werde die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU „wichtiger denn je“. Die Amerikaner hätten einen anderen Schwerpunkt, nämlich im pazifischen Raum. Von der aktuellen Situation würde in Wahrheit China profitieren.
Sobotka als Ausschuss-Vorsitzender tragbar
Auch nach fragwürdigen historischen Vergleichen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka steht Nehammer hinter seinem Parteikollegen. Es gebe keinen Anlass, dass dieser den Vorsitz im laufenden Untersuchungsausschuss zu mutmaßlicher Korruption in der ÖVP abgeben sollte, sagte Nehammer am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.
Sobotka hatte im von „profil“, „Kurier“ und „Kronen Zeitung“ organisierten Interviewformat „Club 3“ den Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Situation in Österreich 1945 - der Befreiung vom NS-Regime - verglichen, später als „unpassend“ zurückgezogen. Zur Forderung, er solle den Vorsitz im U-Ausschuss abgeben, fand er eine Parallele mit der Ausschaltung des Parlaments 1933, was er später ein wenig präzisierte.
Für Nehammer hat Sobotka seine Aussagen zurechtgerückt. Als U-Ausschuss-Vorsitzender sei er jedenfalls tragbar. Außerdem könne Sobotka dabei nichts ohne den Verfahrensrichter machen, stellte der Kanzler fest.
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