Regisseur Hengstler:

„Es gab Menschen, die mich vor Jack gewarnt haben“

Steiermark
28.02.2022 06:00

Der Grazer Wilhelm Hengstler hat Unterwegers Roman „Fegefeuer“ verfilmt. Die Arbeit hat ihn viele Nerven und auch eine Freundschaft gekostet. Danach wollte Jack nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Der Grazer Wilhelm Hengstler war einer von vielen Künstlern und Intellektuellen, die sich in den späten 1970ern für Jack Unterweger interessierten: „Er war einer der berühmtesten Häftlinge Europas und hat mit erstaunlicher intellektueller Energie gezeigt, dass sogar für gebeutelte Existenzen, wie er eine war, im humanen Strafvollzug eine Resozialisierung möglich ist - das haben wir zumindest geglaubt“, erinnert sich Hengstler.

Roman von Unterweger war ein „heißer Stoff“
Im Grazer Literaturmagazin „manuskripte“ wurde Unterwegers Roman „Fegefeuer“ über seine schreckliche Kindheit und seinen Weg ins Zuchthaus veröffentlicht: „Es war das einzige Mal, dass dieses hoch angesehene Magazin wie ein Schundheftl gelesen wurde.“

Wilhelm Hengstler (Bild: J.J.Kucek)
Wilhelm Hengstler

Auch er habe darin einen „heißen Stoff“ gesehen und wollte ihn unbedingt verfilmen. Ein erstes Drehbuch hatte Unterweger selbst geschrieben: „Es war völlig unbrauchbar, voller Heldengeschichten, die er von Hollywood abgekupfert hat.“ Also machte sich Hengstler gemeinsam mit dem befreundeten Autor Ernst M. Binder an die Arbeit: „Wir sind gut vorangekommen, aber nach einem Urlaub hat Binder plötzlich nicht mehr mit mir gesprochen.“

Es war das überraschende Ende einer jahrelangen Freundschaft: „Erst Jahrzehnte später habe ich herausgefunden, dass Unterweger ihn aus dem Gefängnis angerufen hatte und ihm weisgemacht hat, dass ich ihn ausbooten wollte.“

„In Wahrheit war der Jack ein Feigling“
Es war nicht das einzige Mal, dass Hengstler sich von Unterweger auch abgestoßen fühlte: „Es gab Menschen, die mich gewarnt haben. Seine Mitinsassen haben mir gesagt, dass er ein übler Hund ist.“ Und auch eine junge Schauspielerin, die im Film mitspielen sollte und die Hengstler auf einem seiner Besuche ins Gefängnis mitnahm, reagierte sehr negativ: „Sie hatte ein Gespräch mit ihm und wollte nichts mehr mit dem Film zu tun haben. Ich glaube, dass selbstbewusste Frauen nichts mit ihm anfangen konnten“, sagt Hengstler.

(Bild: Andi Schiel)

Aber er sah in der Verfilmung seine Chance auf den Durchbruch, also arrangierte er sich mit Unterwegers Kapriolen: „Er wollte immer was von mir. Wenn ich es ihm nicht gegeben habe, hat er gedroht. Und wenn ich davon unbeeindruckt war, hat er gejammert. Eigentlich war der Jack ein Feigling.“

In Handschellen bei der Premiere
Als der Film fertig und in Wels erstmals zu sehen war, wurde Unterweger in Handschellen zur Premiere gebracht: „Er war der absolute Star und wusste, wie er sein Publikum bezirzt“, erinnert sich Hengstler. „Der Film war auch ein Mosaikstein dafür, dass er später freigelassen wurde.“

Hat Hengstler deswegen ein schlechtes Gewissen? „Nein, der Film war neutral. Unterweger hat nach seiner Freilassung auch nie Kontakt zu mir gesucht. Er hat sich von mir betrogen gefühlt hat, weil der Film zu kritisch war“, so Hengstler.

Am Set der Verfilmung von „Fegefeuer“. (Bild: Christian Jungwirth)
Am Set der Verfilmung von „Fegefeuer“.

Als Unterweger 1992 festgenommen wurde, wurde auch Hengstler noch einmal mit seiner Verbindung zu ihm konfrontiert: „Mir wurde vorgeworfen, dass ich ihn im Film zu wenig verteufelt habe und meine Frau und ich wurden am Telefon oft beschimpft.“ Er selbst wirft sich vor, dass er sich für jemanden eingesetzt hat, „von dem ich von Anfang an nicht überzeugt war und der dann brutal gemordet hat.“

Und noch etwas verbittert ihn bis heute: „Jacks Taten haben dafür gesorgt, dass der Glaube an den humanen Strafvollzug in Österreich völlig pulverisiert wurde.“

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