Im „Krone“-Interview schildern zwei in Wien gestrandete Ukrainerinnen, wie sie mit den letzten Zügen dem Krieg um Kiew entkamen. Mutter und Tochter blicken traurig in die Zukunft.
Die Sirenen heulen auf, Fliegeralarm! Menschen laufen in Panik zur nächsten U-Bahn-Station, die umkämpfte ukrainische Hauptstadt Kiew stellt extra eine Metro-Linie als Bunker für die Zivilbevölkerung zur Verfügung. Dicht aneinandergedrängt, warten sie, bis Entwarnung kommt.
Unter ihnen befinden sich Ljudmila (50) und ihre Tochter Ana (30). Jede der Frauen hat einen kleinen Rucksack bei sich, darin befinden sich die wichtigsten Dokumente. Plötzlich werden sie auf eine Durchsage aufmerksam. Es wird verlautbart, dass heute noch die letzten Züge Richtung Westen abfahren, wenn jemand die Ukraine verlassen möchte.
Wir haben uns in den nächsten Zug gesetzt, der nach Westen ging, und sind in Wien angekommen.
Ljudmila und Ana aus Kiew
„Wir sind nicht mehr in unsere Wohnung zurückgekehrt, sondern gleich zum Bahnhof“, erzählt die 50-jährige Ingenieurin unter Tränen. Niemals habe sie mit einem tatsächlichen Einmarsch der Russen gerechnet. „Ich hoffe, dass der, der den Krieg angefangen hat, ihn rasch wieder stoppt. Wir haben doch niemandem etwas getan“, fügt sie hinzu.
Brot als Proviant
Die beiden wissen nicht, wohin ihre abenteuerliche Reise geht, als ihr internationaler Waggon am Freitag im Chaos Kiew verlässt. Als Proviant dienen ihnen einige Brotstücke und ein Riegel Schweinefett. 24 Stunden später, Samstagnachmittag, ist die glückliche Endstation auf dem Wiener Hauptbahnhof. Hilfesuchend stehen die beiden auf dem Bahnsteig.
„Wir waren mit einem Streetworkerteam vor Ort“, erklärt Caritas-Chef Klaus Schwertner. Ein solches greift die beiden Ukrainerinnen auf und bringt sie in eine Unterkunft nach Wien-Heiligenstadt, wo sie mit der „Krone“ am Sonntag über ihre Flucht sprechen.
„Wir sind sehr glücklich hier“
„Wir haben die erste Nacht so fest wie kleine Kinder geschlafen und sind sehr glücklich hier“, erzählen Mutter und Tochter. Bevor der Krieg losging, wurden sie noch von ihren Arbeitgebern zu Hause ausbezahlt. „Jetzt stoppen wir, wir wissen nicht, wie es weitergeht, hat der Chef gesagt und das Geld überwiesen“, erzählt Ana, die als Ökologin bei einer Baufirma beschäftigt ist. Im Haus Damaris teilen sich die Frauen ein helles, warmes Zimmer. Sie nehmen auf einem Bett Platz und betrachten traurig die Fotos von der derzeit fernen, ja unerreichbaren Heimat auf ihren Handys.
Bilder der Zerstörung aus Heimat am Mobiltelefon
Fröhliche Gesichter wechseln mit dem Grauen des Krieges ab: Nachdenklich blickt die 30-Jährige auf die Bilder von brennenden Häusern oder der Warnung vor gefährlichen Landminen. Wie viele Flüchtlinge noch Richtung Österreich aufgebrochen sind, weiß man bei der Caritas noch nicht. „Die Welle der Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist sehr groß. Viele fragen bei uns an“, so Schwertner weiter.
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