Die Bankenaufsicht der EZB hält die Überlebensfähigkeit der europäischen Töchter der russischen Sberbank wegen der Auswirkungen der Finanzsanktionen für stark gefährdet. Man sei zur Beurteilung gelangt, dass die Sberbank Europe AG mit Hauptsitz in Wien sowie ihre beiden Tochtergesellschaften in der Bankenunion, die Sberbank d.d. in Kroatien und die Sberbank banka d.d. in Slowenien, „ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen“ werden. Mit dieser Formulierung kennzeichnet die EZB-Bankenaufsicht Institute, die aus ihrer Sicht nicht mehr existenzfähig sind. Zahlreiche Kunden versuchen derzeit verzweifelt, an ihr Geld zu kommen.
„Bei der Sberbank Europe AG und ihren Tochtergesellschaften kam es zu erheblichen Abflüssen von Einlagen infolge der Auswirkungen der geopolitischen Spannungen auf ihre Reputation“, teilte die EZB in der Nacht zum Montag mit. „Dadurch hat sich ihre Liquiditätslage verschlechtert. Zudem sind keine Maßnahmen verfügbar, bei denen realistische Aussichten darauf bestehen, dass diese Position auf Gruppenebene und auf Ebene der einzelnen Tochtergesellschaften in der Bankenunion wiederhergestellt wird“, hieß es.
„Keinerlei Auszahlungen“ in Wien
Als Reaktion auf die EZB-Einschätzung hat die österreichische Finanzmarktaufsicht den Geschäftsbetrieb der Sberbank-Europatochter vorübergehend fast komplett unterbunden. Wie die FMA mitteilte, darf die in Wien ansässige Bank „keinerlei Auszahlungen, Überweisungen oder andere Transaktionen durchführen“. Die einzige Ausnahme von diesem Zahlungsmoratorium gibt es für Einleger, die zur Sicherung des nötigsten täglichen Bedarfs 100 Euro pro Tag abheben dürfen. Das Moratorium sei bis Dienstag, 23.59 Uhr, befristet. Begründet wurde die Maßnahme mit einem drohenden Ausfall der Bank.
Geschäft in Slowenien und Kroatien eingeschränkt
In Slowenien ist der Betrieb der russischen Bank vorübergehend auf Kartentransaktionen beschränkt. Die Kunden können pro Tag über maximal 400 Euro verfügen. Die Filialen bleiben vom Montag bis Mittwoch geschlossen. Aus der Sberbank in Slowenien hieß es, dass man mit dieser Maßnahme einen übermäßigen Abfluss von Einlagen aus der Bank begrenzen möchte. „Ein plötzlicher hoher Abfluss von Einlagen würde sich noch negativer auf die laufenden Geschäfte der Bank auswirken“, hieß es weiter. Wie die Bank bekannt gab, sei „angesichts der jüngsten geopolitischen Ereignisse“ in kürzester Zeit ein erheblicher Abfluss von Kundengeldern verzeichnet worden.
Eine ähnliche Stellungnahme gab es auch von der kroatischen Niederlassung, wo die täglichen Transaktionen aktuell auf 7280 Kuna (rund 964 Euro) begrenzt sind.
Tschechische Notenbank startet Lizenzentzug-Verfahren
In Tschechien waren die Filialen der Sberbank bereits am Freitag geschlossen worden, nachdem Kunden ihre Konten auflösen wollten und sich Warteschlangen gebildet hatten. Am Montag wurden sie nicht mehr geöffnet. Die tschechische Nationalbank (CNB) startete indes ein Lizenzentzug-Verfahren bei der Sberbank CZ.
Die CNB habe der Bank verboten, Transaktionen durchzuführen sowie neue Kredite zu erteilen oder neue Einlagen anzunehmen, teilte die CNB am Montag mit. „Die Liquiditätskrise von Sberbank CZ wurde durch extreme geopolitische Entwicklung verursacht“, erklärte CNB-Chef Jiri Rusnok. Es handle sich um ein „isoliertes und spezifisches Problem“ einer Bank, die aus der Sicht des tschechischen Bankensektors nicht bedeutend sei.
„Alle Anstrengungen, um Situation im Sinne der Kunden zu meistern“
Die Sberbank Europe ist eine 100-prozentige Tochter der mehrheitlich in Staatsbesitz stehenden Sberbank in Moskau. Das Unternehmen in Wien betonte in einer Stellungnahme seine Kooperation mit den Aufsichtsbehörden. „Wir unternehmen alle Anstrengungen und unterstützen die Behörden uneingeschränkt, damit diese ihre Befugnisse einsetzen können, um diese beispiellose Situation im Sinne der Kunden zu meistern“, sagte Sberbank-Europe-Chefin Sonja Sarközi laut Mitteilung. Sie wies darauf hin, dass mehrere Banken der Gruppe „innerhalb sehr kurzer Zeit einen deutlichen Abfluss an Kundeneinlagen“ verzeichnet hätten, weswegen teilweise die tägliche Bargeldbehebung eingeschränkt worden sei.
773.000 Kunden in Zentral- und Osteuropa
Das Moratorium folgt auf den Beschluss von umfassenden Finanzsanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine. Sberbank Europe AG hat eigenen Angaben zufolge 187 Filialen mit 3800 Mitarbeitern und rund 773.000 Kunden in Zentral- und Osteuropa, davon 65.000 Kunden mit einer Bilanzsumme von 2,2 Milliarden in Deutschland und Österreich. Allerdings hat das Unternehmen erst im November den Verkauf ihrer Balkan-Töchter mit einer Bilanzsumme von 7,3 Milliarden Euro angekündigt. Die Präsenz in Österreich, Deutschland und Tschechien sollte aber beibehalten werden.
Einlagen bis 100.000 Euro gesichert
Einlagen von Privatanlegern sind in der EU bis zu einer Höhe von 100.000 Euro je Einleger und Bank gesetzlich geschützt. Dieser Schutz werde durch die Einlagensicherungssysteme in Österreich, auch für die Zweigniederlassung der Bank in Deutschland, sowie in Kroatien und in Slowenien gewährt, erklärte die EZB. Die deutsche Online-Privatkundenbank Sberbank Direct unterliegt damit auch den österreichischen Bestimmungen zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung.
1,1 Milliarden Euro gedeckt
Die von der österreichischen Einlagensicherung gedeckten Einlagen bei der Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien betragen per 26. Februar 2022 rund 1,1 Milliarden Euro. Die Einlagensicherung wies darauf hin, „dass bisher kein Einlagensicherungsfall“ vorliege. Nach derzeitigem Stand haben rund 35.000 deutsche Kunden bei der Sberbank Europe AG gedeckte Einlagen, der Anteil der österreichischen Einleger ist „hingegen unbedeutend“. Die Finanzierung der Entschädigung der Kunden sei „gesichert, alle österreichischen Banken tragen dazu anteilig bei“, hieß es von der Einlagensicherung.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.