Der Lauteracher René Schwarzgruber (37) lebt seit 2014 teilweise in der Ukraine und hat sich in den letzten Jahren mit Freundin Sasha eine Existenz in seiner Wahlheimat Kiew aufgebaut. Er musste nun das Land verlassen und hat der „Krone“ von der tagelangen und chaotischen Ausreise nach Polen berichtet. Für ihn zählt jetzt nur, den Menschen in der Ukraine zu helfen.
Krone: Wie hast du die Ausreise aus der Ukraine erlebt? Hattest du Angst?
Schwarzgruber: Ich hatte keine Angst um mich, weil ich die Lage im Land gut kenne und weiß, wo die Kämpfe stattfinden. Aber wir haben große Sorge um unsere Freunde, die noch in der Ukraine festsitzen und die Familie meiner Freundin Sasha aus Charkiw. Für sie ist es sehr schlimm, wenn sie mit ihnen telefoniert und hören muss, wie sie sich im Keller vor den Bomben verstecken und das Essen langsam knapp wird.
Wie lief eure Ausreise nach Polen ab?
Wir hatten das Glück, dass wir in den Bergen in den Karpaten waren, als der Krieg begonnen hat. Wir wollten ursprünglich genau an diesem Tag zurück nach Kiew fahren, um unsere letzten Sachen zu holen und dann wieder nach Vorarlberg zu kommen. Am zweiten Tag nach Kriegsbeginn sind wir Richtung polnische Grenze aufgebrochen. Wir wollten den Zug nehmen, aber der kam einfach nicht. Mit einem Fahrer, den wir zufällig gefunden haben, sind wir in die nächstgrößere Stadt und von da aus mit dem Zug nach Lemberg.
Der Zug war komplett überfüllt, und als wir angekommen sind, hatten wir keine Ahnung, wie es weitergeht. Glücklicherweise standen am Bahnhof Busse bereit, die die Menschen zur Grenze gefahren haben, jedoch waren sie so überlastet, dass wir für 30 Kilometer 45 Stunden gebraucht haben. Wir waren jedoch dankbar, dass wir in einem warmen Bus saßen. Tausende sind zu Fuß bei Minusgraden gelaufen und haben noch 24 Stunden auf die Einreise nach Polen gewartet. Ganz schlimm mit anzusehen waren die Frauen und Kinder, die an der Grenze ihre Ehemänner und Väter zurücklassen mussten, weil die Männer die Ukraine nicht verlassen dürfen.
Ihr seid nun in Polen angekommen und werdet Ende der Woche weiter nach Vorarlberg reisen. Was macht so ein Erlebnis mit einem?
Mir geht es gut, aber es geht mir um die anderen Menschen, die dort festsitzen, wo Bomben fallen. Ich habe daher bereits im Bus begonnen, Hilfe zu organisieren.
Was hilft den Menschen in der Ukraine derzeit am meisten?
Die Ausreise hat für meine Freundin und mich 300 Euro gekostet. Aber es gibt viele Menschen in der Ukraine, die keine 150 Euro übrig haben. Ich habe mich daher schon mit vielen in Verbindung gesetzt und Unterstützung angeboten. Ich selbst habe aus Vorarlberg und der ganzen Welt Nachrichten bekommen und gemerkt, wie viele Menschen helfen wollen und daher eine Spendenaktion gestartet. Innerhalb von wenigen Tagen sind schon 25.000 Euro zusammengekommen und das ist erst der Anfang. Mit dem ersten Spendengeld habe ich einer Mutter mit zwei Kindern an der Grenze geholfen. Sie hatte nicht genug Geld für den Bus nach Polen.
Mit dem ersten Spendengeld habe ich einer Mutter mit zwei Kindern an der Grenze geholfen. Sie hatte nicht genug Geld für den Bus nach Polen
René Schwarzgruber
Du hast direkten Kontakt mit Freunden in der Ukraine. Was brauchen die Menschen?
Einer meiner besten Freunde ist Unternehmer und darf das Land nicht verlassen. Er und andere setzen sich sehr ein und schauen, wo Hilfe benötigt wird. Ich stehe im ständigen Austausch mit ihnen, weiß wo das Geld dringend gebraucht wird und kann schnell reagieren.
Hier kann die Hilfsaktion unterstützt werden
Wir konzentrieren uns derzeit auf zwei Dinge: Ich habe gemeinsam mit Unterstützern aus Vorarlberg wie Immobilienunternehmer Dario Eres aus Dornbirn Wohnungen organisiert und möchte besonders hilfsbedürftige Menschen, die verzweifelt sind und kein Geld haben, eine Zuflucht bieten. Mein Ziel ist es, bereits Ende der Woche mit rund 15 Menschen nach Vorarlberg zu kommen, und meine Freunde in Polen werden auch nach meiner Rückkehr vor Ort weitermachen. Ich hoffe, dass noch mehr Menschen uns unterstützen und diesem Beispiel folgen. Zudem ist es wichtig, Lebensmittel nach Charkiw zu bringen, dort unterstütze ich ebenfalls einen Freund, der einen Transport organisiert.
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