Der männlich dominierten IT-Branche fehlen Tausende Fachkräfte - eine Lücke, die Frauen füllen könnten, zeigt sich Sigrid Hantusch-Taferner von der Programmierschule Codecool anlässlich des Frauentages am 8. März überzeugt. „Das ist nicht nur ein Problem der Frauen, sondern ein wirtschaftliches Problem“, regt sie an, die Thematik aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Zu oft würden Frauen ihre technischen Fähigkeiten unterschätzen.
„Das Problem wird missverstanden“, führt Hantusch-Taferner im Gespräch mit der APA aus. Es werde so aufgefasst, dass es darum gehe, Frauen Jobs in der IT zu verschaffen. Doch fehlende Diversität habe auch Nachteile für die Wirtschaft. Nicht nur können Projekte, die ohne Input von Frauen entstehen und deren Lebensrealität nicht berücksichtigen, bei Frauen schlechter ankommen, sondern der gesamte Wirtschaftssektor leide. Denn laut dem Fachverband für Unternehmen, Buchhaltung, Informatik und Technik (UBIT) fehlen der heimischen Wirtschaft mehr als 24.000 IT-Fachkräfte.
Dabei gebe es Potenzial: Eine Umfrage habe ergeben, dass es im Raum Wien und Umgebung 15.000 bis 20.000 Frauen gibt, die gut ausgebildet, aber mit ihren Jobs unzufrieden sind und Interesse an der zukunftssicheren IT haben - „sehr, sehr viele interessierte Frauen, die einsteigen würden, wenn man sie dahingehend motivieren würde und ihnen sagt, dass sie das können“, so die Codecool-Country-Mangerin für Österreich. Diese würden aber nicht angesprochen und erreicht. Und: Nur acht Prozent der Developer weltweit sowie 17 Prozent der Developer in Europa seien Frauen. Auch bei Studierenden zeigt sich eine Kluft: 37,5 Prozent der MINT-Studenten im Wintersemester 2020 waren laut Daten des Bildungsministeriums Frauen.
Unsicherheit und Selbstunterschätzung
Die Ursache dafür liegt in der Sozialisierung, ist sich Hantusch-Taferner sicher. Studien zufolge würden junge Mädchen ihre Kompetenzen in Mathematik schlechter einschätzen als Burschen, in computerbezogenen Bereichen gebe es ähnliche Unterschiede. Mädchen werde oft gesagt, dass sie sich sehr anstrengen müssen, um etwas zu erreichen; Burschen, dass ihnen eine Sache liege. Mädchen würden also verinnerlichen, dass sie selbst schuld wären, wenn sie etwas nicht schaffen.
Das führe zu der Unsicherheit und Selbstunterschätzung, die Hantusch-Taferner auch im Bewerbungsprozess beobachtet. Frauen würden sich seltener bewerben. Bewerben sie sich aber, sind sie meist besser qualifiziert, sagt sie. Frauen würden 35 Prozent der Bewerber, aber über 40 Prozent der erfolgreichen Bewerbungen ausmachen - und damit besonders erfolgreich sein. Häufiger als die Männer sind sie Newcomer im Programmieren.
Kein „magischer Nachteil“
Initiativen, Frauen und Mädchen für MINT-Jobs zu begeistern, seien „extrem wichtig“, sagt Hantusch-Taferner. Fassen mehr Frauen in der Branche Fuß, gibt es mehr weibliche Vorbilder, die von ihren guten Erfahrungen berichten können. „Dann wird es irgendwann normal, auch Frauen als Techniker zu sehen.“ Man müsse sich von dem Gedanken loslösen, „dass Frauen im Umgang mit Computern irgendeinen magischen Nachteil hätten“. Auch Codecool selbst hat ein Stipendium für weibliche „High-Potentials“ eingerichtet.
Zuletzt würden sich auch die Jobs in der IT verändern und für Frauen, die häufig zusätzliche unbezahlte Aufgaben wie Care-Arbeit übernehmen, zugänglicher werden. Es gebe viele 30-Stunden-Jobs und solche, die man sich flexibel einteilen könne, so Hantusch-Taferner.
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