Missbrauch, Kinderpornografie: Topfahnder Jürgen Ungerböck und sein sechsköpfiges Ermittler-Team vom Bundeskriminalamt sind tagtäglich mit den grausamsten Bildern konfrontiert. Mit der „Krone“ sprach der Chefermittler über seine Arbeit.
„Krone“: Wie gehen Sie und Ihre Kollegen mit einer derart emotionalen Arbeitsbelastung um?
Jürgen Ungerböck: Das Wichtigste ist, dass die Stimmung im Team passt. Dass man sich in Pausen oder nach Dienstschluss zusammensetzen und mit den Kollegen über alles reden kann. Das hilft einem bei der Verarbeitung. Zudem wird uns vom Bundeskriminalamt bei Bedarf jederzeit die Möglichkeit einer Supervision geboten.
Sie sind selbst Familienvater - wie schwierig muss es sein, tagtäglich mit den grausamsten Kindesmissbrauchsbildern konfrontiert zu sein.
Der größte Fehler wäre, Fälle emotional zu sehen. Emotionale Ausbrüche haben noch keinem Opfer geholfen oder je ein Kind identifiziert. Selbstverständlich bewegen einen die Dinge. Aber Hauptfokus muss der kriminalpolizeiliche Blick auf das Ganze sein. Nur so können wir die Welt ein Stück besser machen und Opfern helfen. Die Schwächsten in unserer Gesellschaft sind Kinder - und die haben keine Lobby. Das ist unser Antrieb.
Die Täter findet man in jeder Berufsgruppe, jeder sozialen Schicht.
Chefermittler Jürgen Ungerböck
Können Sie Ihre Arbeit nach Dienstschluss einfach so abschalten?
Wenn ich beim Drehkreuz hinausgehe, war es das für mich. Ich möchte all die Dinge und Gedanken nicht bei mir zu Hause haben. Man kann sich nicht jedes Einzelschicksal selbst umbinden. Das macht dich und dein Umfeld kaputt.
Gibt es eigentlich DEN typischen pädophilen Sexualstraftäter?
Nein, die Täter findet man in jeder Berufsgruppe, jeder sozialen Schicht. Vom Bauarbeiter bis zum Universitätsprofessor, vom Single bis zum vermeintlich liebevollen Familienvater. Die große Frage ist: Wie weit ist der innere Drang ausgebildet? Gibt sich der Täter „nur“ mit Fotos bzw. Videos zufrieden, oder legt er selbst Hand an. Und: Hat der Verdächtige in seinem Umfeld Zugriff auf ein mögliches Opfer? In unserem letzten Fall ist ein sechs Monate altes Baby einem Verwandten zum Opfer gefallen ...
Niemand würde sich in einem Café auf den Tisch stellen und sich ausziehen. Aber Nacktfotos werden leichtsinnig verschickt.
Die Gefahren im Internet sind den Menschen oft nicht bewusst, meint Ungerböck.
Was geben Sie Eltern und Kindern mit auf den Weg?
Das Wichtigste ist Aufklärung! Man muss Kindern bewusst machen, welche Gefahren im Internet lauern. Das ist leider auch vielen Erwachsenen noch immer nicht klar. Niemand würde sich in einem Café auf den Tisch stellen und sich ausziehen. Aber Nacktfotos werden leichtsinnig verschickt. Auch sollten Eltern sich überlegen, ob und welche Fotos sie von ihren Kindern in sozialen Medien posten - und wer diese sehen kann.
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