Die EU-Führerscheinrichtlinie stellt u.a. den "Führerscheintourismus" ab (Neuerwerb im Ausland nach Entzug in der Heimat) und etabliert dabei den EU-Scheckkarten-Führerschein für alle Mitgliedsländer - anstelle der derzeit 110 verschiedenen Führerscheinmuster. Außerdem gibt es eine Weiterbildungsverpflichtung für Fahrprüfer.
Grundsätzlich bekommt der Führerschein mit der Richtlinie ein Ablaufdatum. Die Empfehlung der EU, eine Verlängerung der Führerscheine von Gesundheitsüberprüfungen abhängig zu machen, wurde vom Verkehrsministerium allerdings nicht aufgegriffen. Auch die von vielen Seiten geforderten Zwangsmaßnahmen für Senioren wird es nicht geben. Es geht bei der Befristung, salopp gesagt, also in erster Linie um ein neues Foto - im Verkehrsministerium umschreibt man das mit "Dokumentensicherheit", wie am Dienstag ein Sprecher gegenüber krone.at ausführte.
Alte "Deckel" gelten noch bis 2033
Alle bis 2013 ausgestellten Lenkberechtigungen, auch die alten Papierführerscheine, bleiben dank einer Übergangsfrist noch bis 19. Jänner 2033 gültig. Die Kosten für Umtausch/Neuausstellung belaufen sich auf 45,60 Euro Euro, bei der Erstausstellung sind es 55,70 Euro. Verkehrsministerin Doris Bures verteidigte am Dienstag die Gebühr für die Neuausstellung. Diese decke die Verwaltungskosten und sei keine Geldbeschaffungsaktion, "das Verkehrsministerium bekommt davon keinen Cent" - dafür aber der Finanzminister. Als Verwaltungsaufwand gehen nämlich nur 20 Euro an die aussstellende Behörde, der Rest kommt als Gebühr in den Staatssäckel. Ob sich daraus Mehreinnahmen ergeben, konnte man im Finanzministerium am Dienstag nicht sagen. Diese würden ja frühestens 2028 eintreffen und so weit plane man nicht voraus.
Derzeit gibt es etwa 6,1 Millionen gültige Führerscheine in Österreich. Bei 2,3 Millionen Lenkerberechtigungen handelt es sich bereits um die in Österreich seit 1. März 2006 ausgegebenen Dokumente im Scheckkartenformat. Jährlich kommen durchschnittlich 70.000 bis 80.000 Führerscheinneulinge dazu.
Ver- und Entschärfungen beim Motorrad
Die EU-Richtlinie schreibt auch eine Änderung der Motorradklassen vor, die im Falle Österreichs Ver- und Entschärfungen im Vergleich zum Ist-Zustand bringen. Es gilt ab 2013 nun der Grundsatz des stufenweisen Zugangs im Zwei-Jahres-Rhythmus - von der Klasse A1 ("125er") auf A2 (bis 35 kW) auf A (ohne Beschränkung).
Der Mopedausweis mit 16 (mit 15 Jahren mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten) als Einstieg ins Zweiradleben bleibt, wird aber technisch zu einem Führerschein, Klasse AM. Die Einschränkungen mit maximal 50 ccm und maximal 45 km/h bleiben, auch sogenannte Mopedautos dürfen gelenkt werden. Für den Erwerb ist ein 14-stündige Praxis-Schulung, aber keine Prüfung notwendig.
Ein Jahr später können Jugendliche dann schon in die Fahrschule gehen, Theorie- und Praxisprüfung absolvieren und eine 125-ccm-Maschine fahren. Mit 18 kann man auf A2 umsteigen und mit 20 auf A. Ein Direktzugang zur Klasse A, wo es keine kW- oder Hubraumbeschränkung gibt, ist erst mit 24 Jahren möglich.
Die sogenannten B111-Eintragung, mit der Pkw-Lenker bisher nach fünf Jahren Fahrpraxis im Auto und sechs Zweiradfahrstunden eine Lenkberechtigung für 125er erhalten konnten, wird abgeändert. Die sechs Fahrstunden müssen zwar weiterhin gemacht werden, jedoch entfällt die Eintragung bzw. Führerscheinneuausstellung. Es reicht das Mitführen einer Bestätigung über die absolvierte Schulung, dies gilt rechtlich allerdings nur bei Fahren im Inland.
Mit 15 in die Fahrschule, mit 16 am 125er-Motorrad
Vor allem die Absenkung des Alters für den A1-Zutritt auf 16 Jahre ist ein großer Sprung, der von Autofahrerclubs und auch dem Kuratorium für Verkehrssicherheit aber kaum kritisiert wurde, sondern als Teil einer Strategie, Motorradunfälle durch das schrittweise Sammeln von Erfahrung und eine bessere Ausbildung zu verhindern, begriffen wird. Die Überlegung dahinter: Tausche unausgebildete Teenager mit (ihren vielfach getunten) 45-km/h-Mopeds gegen durch die Fahrschule gegangene Junglenker, deren Zweiräder dafür etwas schneller sind. Die 125er-Motorräder dürfen bis zu 11 kW/15 PS haben und sind je nach Typ bzw. Straßenverhältnissen bis zu 120 km/h schnell. Von Städtern werden die "125er" auch wegen ihrer Vortriebsleistungen geschätzt, an der Ampel lässt sich mit einem 125er-Roller durchaus ein Pkw "abhängen". In die Klasse A1 fallen auch dreirädrige Kfz mit einer Leistung von nicht mehr als 15 kW.
Zum "richtigen" Führerscheinkurs in die Fahrschule darf man ab 2013 damit bereits im Alter von 15 Jahren (bisher 16 bei Absolvierung des sogenannten L17-Führerscheins). Die angehenden A1-Lenker müssen dabei den vollen Theorie- und Praxisteil für Motorrad absolvieren und die Prüfung ablegen. Dazu kommt die Mehrphasenausbildung mit Gefahrentraining, verkehrspsychologischer Schulung und sogenannten Perfektionsfahrten, die im Zuge der Novelle ebenfalls erweitert wird. Will ein junger A1-Besitzer den B-Führerschein machen, so muss er in der Fahrschule dann nur mehr den entsprechenden Theorie- und Praxisteil fürs Auto samt den Prüfungen nachholen. Dies gilt übrigens auch umgekehrt, also für B-Schein-Besitzer, die einen Motorradschein erwerben wollen.
Hersteller freuen sich auf neue Kundschaft
Wie viele 16-Jährige ab 2013 den Motorradführerschein machen werden bzw. von ihren Eltern bezahlt bekommen, ist schwer abzuschätzen. Die Industrie hat jedenfalls bereits vorgesorgt: Motorradhersteller adaptieren derzeit ihre Modellpaletten auf die kommende Generation an jungen 125er-Fahrern und bieten günstigere und "flippigere" Modelle an, ein Trend zur 125er-Adaption großer Rennmaschinen oder sogenannter Enduro-Motorräder ist erkennbar. Die Modelle erreichen in der Regel Bauarthöchstgeschwindigkeiten von mindestens 80 km/h, die Preise beginnen bei rund 1.000 Euro und erreichen bis zu 5.000 Euro.
Im Nachbarland Deutschland - und in vielen anderen EU-Ländern - dürfen 16-Jährige übrigens schon länger mit 125ern fahren, allerdings auf 80 km/h gedrosselt. Im Zuge der Richtlinie wird diese Beschränkung auch dort aufgehoben. Im Nachbarland Italien dürfen z.B. 14-Jährige grundsätzlich ohne Schulung Moped fahren.
Rettungsgasse bringt vier Minuten mehr für Helfer
Die Straßenverkehrsordnung wird bei der Einführung der Rettungsgasse, dem zweiten großen Verkehrsgesetz im Ministerrat am Dienstag, novelliert. Ab 2012 wird deren Bildung auf Österreichs Autobahnen zur Pflicht. Das heißt, im Falle eine Staus fahren die Autofahrer nach links und rechts an den Straßenrand und ermöglichen so Einsatzfahrzeugen die freie Zufahrt zur Unfallstelle.
Rettungsgassen gibt es bereits in den Nachbarländern Deutschland, Schweiz, Tschechien und Slowenien. Erfahrungen der Einsatzorganisationen zeigten, dass die Helfer dadurch vier Minuten schneller zur Stelle sind. Die Einführung in Österreich am 1. Jänner 2012 soll von einer großangelegten Informationskampagne, die voraussichtlich im Herbst startet, begleitet werden. Als Strafrahmen ist eine Höhe von 72 bis 2.180 Euro vorgesehen, wenn ein Einsatzfahrzeug behindert wird. Dies entspricht dem Strafausmaß für Verwaltungsdelikte, wie das Befahren des Pannenstreifens. Gelten soll die Regelung nur auf Autobahnen und Schnellstraßen.
Beide Gesetze, Führerscheinnovelle wie Rettungsgasse, sind am Dienstag als Regierungsvorlagen im Ministerrat beschlossen worden. Das heißt, es fehlt noch der Beschluss im Nationalrat, dem angesichts der Regierungsmehrheit aber nichts im Wege steht.
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