Immer mehr flüchten
Kämpfe gehen trotz Vermittlungsversuchen weiter
Am Samstagabend kam Israels Ministerpräsident Naftali Bennett zu einem Überraschungsbesuch bei Wladimir Putin nach Moskau, um im Krieg gegen die Ukraine zu vermitteln. Unmittelbare Erfolge konnten dabei jedoch nicht erzielt werden - auch in der Nacht auf Sonntag setzten die russischen Truppen ihre Angriffe auf ukrainische Städte fort. Während der Strom an Flüchtenden in den Westen nicht abzureißen scheint, gibt es nun wieder Hoffnung auf einen humanitären Korridor aus Charkiw.
Nach seinem Gespräch in Moskau flog Bennett unmittelbar nach Berlin, um sich mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Ukraine-Konflikt zu beraten. Israel und Deutschland wollen weiter mit „aller Kraft daran arbeiten“, den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden, hieß es.
Indessen gehen die Kampfhandlungen in der Ukraine nahezu ungebremst weiter. Seit Samstagnachmittag gibt es etwa wieder schwere Gefechte in der ukrainischen Stadt Mariupol. Die ukrainische und die russische Seite hatten sich zuvor gegenseitig vorgeworfen, die erste begrenzte Feuerpause im Ukrainekrieg verletzt zu haben. Sie hätte der Evakuierung von Zivilisten dienen sollen.
Auch in anderen Städten des Landes wird weiter gekämpft - während zugleich die Versuche weiterlaufen, eine diplomatische Lösung zu finden.
Mehrfacher Flugalarm in Kiew
In Kiew wurde in der Nacht zu Sonntag mehrmals Flugalarm ausgelöst. Russische Einheiten unterlassen nach Ansicht der ukrainischen Armee keinen Versuch, in die südwestlichen Außenbezirke der Hauptstadt einzudringen. Das teilte der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte in einem Bericht in der Nacht zu Sonntag mit.
Russische Truppen versuchten zudem, sich der Autobahn von der Kiewer Vorstadt Browary nach Boryspil zu nähern - dort liegt der internationale Flughafen Kiews. In Richtung Koselets, das rund 70 Kilometer nordöstlich von Kiew liegt, sei die Bewegung von 100 Einheiten an Waffen und anderer militärischer Ausrüstung beobachtet worden, darunter vor allem Raketenwerfer.
Flüchtlingsstrom reißt nicht ab
Am polnischen-ukrainischen Grenzübergang Medyka reißt der Flüchtlingsstrom nicht ab. Tausende ukrainische Frauen und Kinder warten stundenlang auf der ukrainischen Seite in der eisigen Kälte. Die Autokolonne ist hunderte Meter lang. Die meisten Menschen kommen aber zu Fuß die letzten Kilometer über die Grenze. Sie haben kaum Gepäck dabei. Einige ziehen Rollkoffer, viele haben nur einen kleinen Rucksack am Rücken und rund die Hälfte der Ankommenden sind Kinder.
Wasserkraftwerk als neues Ziel
Russland plane zudem, den Damm des Wasserkraftwerks Kaniw einzunehmen, heißt es in dem Bericht weiter. Der Damm liegt rund 150 Kilometer südlich von Kiew am Fluss Dnipro. Bisher haben russische Truppen mehrere Einrichtungen der Energie-Infrastruktur zerstört, angegriffen oder eingenommen, darunter das größte Kernkraftwerk Europas in Saporischschja.
Der Hauptfokus der russischen Truppen liege aber weiter auf einer Umzingelung der Städte Kiew, Charkiw im Osten und Mykolajiw im Süden.
Selenskyj will Russen „vertreiben“
Am Samstagabend wandte sich der ukrainische Präsident erneut mit einer Videobotschaft an seine Landsleute. Dabei rief Wolodymyr Selenskyj sie dazu auf, russische Truppen aus dem Land zu vertreiben. „Wir müssen nach draußen gehen! Wir müssen kämpfen!“, sagte er. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sollten wie in Cherson, Berdjansk oder Melitopol nach draußen gehen „und dieses Übel aus unseren Städten vertreiben.“
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Moskau rückt hingegen weiterhin keinen Millimeter von seinen Forderungen ab, sondern richtete weitere Warnungen gegen Staaten, die sich in den Konflikt einmischen könnten. „Jede Bewegung in diese Richtung wird von uns als Teilnahme des jeweiligen Landes an einem bewaffneten Konflikt betrachtet“, sagte Wladimir Putin etwa zur Forderung nach einer Flugverbotszone in der Ukraine. Der russische Militärsprecher Igor Konaschenkow erklärte am Samstag, die russischen Streitkräfte setzten die „Entmilitarisierung“ der Ukraine fort.
Lage in Mariupol „katastrophal“
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sprach währenddessen von einer „katastrophalen“ Lage in Mariupol - und sie verschlimmere sich „von Tag zu Tag“. Es sei „unerlässlich“, dass die Zivilbevölkerung über einen humanitären Korridor aus der Stadt geholt werde, sagte der MSF-Notfallkoordinator in der Ukraine, Laurent Ligozat.
Ein solcher Korridor wird inzwischen auch wieder wahrscheinlicher. Nachdem ein entsprechendes Vorhaben am Samstag gescheitert war, hofft der Leiter der ukrainischen Delegation für Gespräche mit Russland auf eine Möglichkeit der Evakuierung am Sonntag.
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