Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal über Geschlechtergleichstellung in Schutzhandschuhen.
Man darf schon mal Augen rollen, wenn am internationalen Frauentag Drogeriemärkte mit Frauenpower werben. Letztes Jahr gab es minus 30 Prozent auf Beautyprodukte. 2018 immerhin noch einen Putzmittelrabatt, minus 25 Prozent, nur am 8. März. Die Geschlechter-Klischees lassen grüßen. Wenn man schon am ursprünglich sozialistischen Frauenkampftag Kundinnen mit kleinem i ansprechen möchte, warum nicht einmal mit Rabatt in einem geschlechtsuntypischen Bereich - sagen wir, im Baumarkt?
Vor vielen Jahren bin ich in einen Baumarkt gegangen um mir Arbeitshandschuhe zu kaufen, bevor ich meinen Winkelschleifer in Betrieb zu nehmen gedachte. Nachdem alle Arbeitshandschuhe überdimensioniert groß und offensichtlich für Riesenhände gedacht waren, machte ich mich auf die Suche nach einem Verkäufer und sprach ihn an: „Ich suche Arbeitshandschuhe, haben Sie welche in meiner Größe?“ Der nette Mann bejahte und machte sich auf den Weg, um mich zu den Arbeitshandschuhen zu führen.
Er ging mit mir quer durch den Baumarkt. Vor einem Regel blieb er stehen und deutete auf verschiedene Gummihandschuhe in gelb, rosa und türkis. Es waren Putzhandschuhe. Solche, die fast bis an den Ellbogen reichen, damit frau sich in der Kloreinigung betätigen kann. Klar, was sonst könnte eine junge Frau im Baumarkt suchen. Dass ich andere Schutzhandschuhe wollte, fand er irritierend. Das seien doch Frauen-Arbeitshandschuhe?
Ich kaufte schließlich Gartenhandschuhe mit Ledereinsätzen. Handwerkende Menschen mit kleinen Händen waren damals nicht vorgesehen. Denn Leder-Arbeitshandschuhe in kleiner Größe gab es in dem Baumarkt schlicht nicht. Heute haben Baumärkte Frauen als Zielgruppe entdeckt. Es gibt mittlerweile sogar Baumarkt-Werbungen, in denen Frauen mit einem Vorschlaghammer Rollen-Klischees zertrümmern, während sie eine Wand niederreissen. Die Skulptur einer Frau in rosa Kleidchen oder einer sexy Pole-Tänzerin, beispielsweise.
Strukturelle Benachteiligung verschwindet allerdings nicht von heute auf morgen, nur weil Handwerkerinnen keine rosa Kleidchen anziehen und sich nicht sexy an der Pole-Dance-Stange räkeln. Super, ich bekomme nun Schutzhandschuhe in kleiner Größe im Baumarkt. Aber noch immer werden in vielen Bereichen Männer als Standard und Frauen sowie andere Geschlechter als Abweichung gesehen. Beispielsweise in der Medizin, die bio-psycho-soziale Unterschiede zwischen den Geschlechtern ignoriert, obwohl Erkrankungen und Gesundheitsbewusstsein davon beeinflusst werden.
Das gilt auch für die sexuelle Gesundheit. In der zweiten Frauenbewegung wurde für die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper gekämpft - zu einer Zeit, als lesbische Sexualität noch verboten war, aber Vergewaltigung in der Ehe nicht. Heute kaufen sich Frauen Intimseifen, Intimdeos, Intimbleiche und Intimoperationen, weil sie sich selbst und ihre Vulva nicht schön finden. Am Abend sind sie dann allerdings für Sex und Intimität zu erschöpft von der Mehrfachbelastung durch Job, Kind und Haushalt. Wie die Forschung zeigt, ist der Anteil, den Frauen an den gesellschaftlichen Sorgetätigkeiten übernehmen, während der Pandemie sogar wieder gestiegen.
Findige Geschäftemacher haben selbst dafür eine Lösung im Angebot, die man konsumieren kann: Sie bieten zum Weltfrauentag ein Verwöhnprogramm aus Wellness und vergünstigter Massage an, damit Frauen sich endlich mal entspannen. Und nicht zu viel über Einkommensungleichheiten nachdenken. Zurecht, denn zu viel Nachdenken könnte sie sonst vielleicht den Vorschlaghammer schwingen lassen, um nicht nur Rollenklischees, sondern sogar gläserne Decken zu zertrümmern. Die gute Nachricht für Frauen, die am 8. März nachdenklich werden: Nach jahrzehntelangem Kampf für Geschlechtergleichheit haben wir erreicht, dass wir dabei zumindest passende Schutzhandschuhe tragen können.
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