„Frau des Jahres“
Afghanin (37): Als Mann verkleidet Familie ernährt
Nadia Ghulam hat unter dem Regime der Taliban in Afghanistan als Mann verkleidet ihre Familie ernährt. Am Dienstag wird sie in Wien als „Frau des Jahres“ geehrt. „Ich habe gute und schlechte Momente“, sagte die 37-Jährige bei einer Pressekonferenz anlässlich der Gala und Preisverleihung „Look! Women of the Year“. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich möchte zumindest Samen für eine friedliche Zukunft säen“, so die nach Spanien geflüchtete Aktivistin und Autorin.
Ghulam hat ihre Geschichte in dem Buch „Das Geheimnis meines Turbans“ niedergeschrieben. Mit drei Schwestern und einem kranken Vater war es für die damals Elfjährige eine Frage des Überlebens, sich als Bub auszugeben und jahrelang für den Unterhalt der Familie zu sorgen.
An manchen Tagen verzweifle ich auch und weine. Aber dann wasche ich die Tränen ab und werde aktiv."
Nadia Ghulam
„Auch Männer leiden unter den Taliban“
Als Mann genoss sie Freiheiten, die sie sonst niemals gehabt hätte, hatte aber auch enorme Verantwortung. Zugleich erkannte Ghulam, dass auch Männer unter den Taliban leiden. „Sie können sich beispielsweise meist nicht aussuchen, wen sie heiraten wollen. Oder ob sie zu den Waffen greifen möchten.“ Das vergesse man manchmal, auch wenn Frauen und Kinder natürlich meist besonders leiden.
„Ich habe auch großes Mitgefühl mit den Müttern der russischen Soldaten, die in den Krieg ziehen müssen,“ so Ghulam. Plädiert sie für einen Kriegseinsatz des Westens? „Gewalt ist niemals die Antwort“, zeigte sie sich überzeugt. Mehr Bomben würden die Situation nicht verbessern. Die einzige Chance sei Bildung - für alle. „In meinem Land herrscht seit 50 Jahren Krieg. Mehr Truppen haben die Lage nicht verbessert.“
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Vor zwei Jahren schwer verletzt Heimat verlassen
Nadia Ghulam setzt sich für Frauenrechte und Flüchtlinge ein und ist überzeugt, dass die Welt eine bessere wäre, wenn mehr Frauen in Machtpositionen kämen. „Ich glaube, sie sind nicht so egoistisch und würden weiter denken als Männer. Männer bringen ihre eigene Familie in Sicherheit, Frauen würden auch an die Familien anderer denken. Ich habe Hoffnung und den Glauben daran, dass ich etwas verändern kann.“ Sie selbst musste vor zwei Jahren schwer verletzt ihre Heimat verlassen und setzt sich nun von Spanien aus für die Schwächsten ein. Ihre Familie blieb großteils in Afghanistan zurück.
„Millionen geht es wie mir“
„An manchen Tagen verzweifle ich auch und weine. Aber dann wasche ich die Tränen ab und werde aktiv. Ich bin nicht die einzige, die flüchten musste. Millionen geht es wie mir“, betonte Ghulam. Ein Sprichwort aus ihrer Heimat besage: Auch einen sehr hohen Berg kann man besteigen. „Das tue ich Schritt für Schritt. Auch, indem ich mich für andere einsetze.“ „Multi-Vitamine des Friedens“ nennt sie die vielen Zuschriften, die sie vor allem von Kindern bekommt. „Sie wollen alle lernen und eine bessere Zukunft.“ Eine solche möchte sie unbedingt mitgestalten, auch wenn die Lage derzeit verheerend scheint.
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