Wenn die EU den Energieimport aus Russland stoppt oder Putin nicht mehr liefert, drohen Österreich mehr Nachteile als anderen Ländern.
Jede weitere Bombe auf die ukrainische Bevölkerung erhöht den Druck auf die EU, Russland durch Verzicht auf Energieimporte zu treffen. Eine Milliarde Euro täglich dürfte Europa derzeit für Gas, Öl und Kohle nach Moskau zahlen. Nun legte die EU-Kommission einen Plan mit Maßnahmen vor, um russische Gasimporte innerhalb von einem Jahr um zwei Drittel zu reduzieren. Tatsächlich wäre ein Gas-Boykott sehr schmerzlich für Russlands Präsident Wladimir Putin - auch wenn er selbst droht, die Pipeline Nord Stream 1 zu schließen. Laut IfW-Institut Kiel würde Russlands Wirtschaftsleistung um 2,9 Prozent einbrechen, zusammen mit Öl sogar um gut vier Prozent (siehe Grafik unten). Alle anderen bereits wirkenden Sanktionen, z.B. für Computerteile, sind nur Nadelstiche.
19 Prozent der Gesamtenergie kommt aus Russland
Auch Europa drohen daraus spürbare Nachteile, wobei Österreich stärker als andere betroffen wäre. Dafür gibt es verschiedene Hinweise. So bezieht die EU im Schnitt 43 Prozent ihres Gases vom staatlichen Giganten Gazprom, bei uns sind es übers Jahr 47 Prozent (im Winter deutlich mehr). Anders gerechnet, deckt die EU zehn Prozent ihres gesamten Energiebedarfs aus Russland, Österreich mit 19 Prozent fast doppelt so viel.
An die neun Milliarden Kubikmeter Gas benötigen wir im Jahr. Davon gehen 40 Prozent in Industrie und Gewerbe (Papier, Chemie, Metall, Zement, Glas etc.), mit 30 Prozent werden Strom sowie Fernwärme erzeugt, 20 Prozent fließen in die Haushalte. Diese Abstufung ist im Notfall wichtig, denn bei Gas-Knappheit würden in dieser Reihenfolge zuerst die nicht zwingend nötigen Großverbraucher quasi „abgeschaltet“, die privaten Wohnungen hingegen zuletzt.
Doch so weit ist es noch lange nicht. Österreich hat mit die größten Gasspeicher Europas, sie sind zu etwa 18 Prozent gefüllt, was bei normalem Wetter auch ohne weiteren Nachschub bis Ende April reichen sollte. Doch dann wird es eng. Weltweit ist zwar genügend Gas vorhanden, doch es schnell zu uns zu bringen, wird schwierig. Und in jedem Fall sehr teuer. „Gas hat vor zwei Jahren ein Zwanzigstel wie jetzt gekostet, und jetzt ist Panik auf den Märkten“, erwartet Franz Angerer von der Energieagentur weitere massive Preissteigerungen. Kurzfristig lässt sich das Russen-Gas nämlich kaum ersetzen. Der große Produzent Norwegen verweist auf ausgelastete Kapazitäten und kann wenig mehr liefern, Algerien bzw. Aserbaidschan dürften auch nicht reichen.
Große Hoffnung ist Flüssiggas (LNG) in Tankschiffen. Die USA sind größter Exporteur, Österreich bemüht sich um Vereinbarungen mit Katar und anderen arabischen Staaten. Deutschland prescht vor und kauft um 1,5 Milliarden Euro LNG. Damit droht ein zusätzlicher Preis-Wettlauf, weil alle Länder LNG wollen. Besser wäre ein gemeinsames EU-Einkaufsprogramm, so Angerer. Doch schon vor dem Krieg war Flüssiggas dreimal so teuer wie jenes aus Sibirien. Zudem braucht es zu den derzeit 28 LNG-Hafenanlagen noch weitere, Deutschland ist da schnell und will fix um mehr als 500 Millionen Euro zwei neue an der Nordsee bauen.
Das aber wird dauern, daher sei jetzt „ein Bündel aus sehr vielen Maßnahmen nötig, um den Verbrauch bei uns zu senken. Einige Firmen werden andere Brennstoffe einsetzen können, bei den Haushalten wird wohl der hohe Gaspreis extrem spürbar durchschlagen und zum Sparen anregen.“
Bitter ist das alles, weil es schon seit Langem Alternativen zu Russland geben könnte. Die OMV war maßgeblich am Pipelineprojekt Nabucco beteiligt. Das hätte Gas aus Aserbaidschan über die Türkei nach Österreich gebracht. Nach Querschüssen von Russland sowie hohen Kosten brach man den Bau aber 2013 ab.
USA wollen auch Öl-Embargo und reden mit Venezuela
Parallel will auch US-Präsident Joe Biden russisches Öl und Gas verbannen. Amerika bezieht derzeit acht Prozent seines Rohöls von dort. Als Ersatz spricht Biden nun sogar mit dem bisher geächteten Venezuela.
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